Von Matthias Bosenick (15.04.2025)
Wenn man eigentlich Black Metal macht und dann auf die Idee kommt, es doch mal mit Rap zu versuchen, kommt Industrial heraus: Biollante ist ein in Paris ansässiges Projekt aus lauter eher anonymen Beteiligten, das eine Art Industrial-Noise als Grundlage für männliche Raps und weiblichen Gesang nimmt, bestückt mit Shoegaze-Gitarre und durch mehrere Fleischwölfe gedreht. Das vor drei Jahren veröffentlichte Debüt „J‘espère que tu danseras quelque part“ kommt jetzt von Projektkopf Void geremixt und um Bonus-Tracks ergänzt als „Redux“-Version neu heraus, als Quasi-Vorbote zum nächsten Album. Harter Stoff, aber ganz anders, als harter Stoff üblicherweise klingt. Biollante erweitert selbst bereits erweiterte Horizonte noch.
Man muss schon Bock auf Lärm und ungewöhnliche Kombinationen mitbringen, um offen zu sein für das, was Biollante hier kredenzen. Nach dem treffend betitelten, noch vergleichsweise chilligen, dennoch electro-verspielten Opener „Trigger Warming“ bricht das selbstbetitelte „Biollante“ über die Hörenden herein: Industrial-Rap, hysterisch vorgetragen und von weiblichem Gesang flankiert. Die harschen Sounds zum Sprechgesang lassen an Saul Williams denken, der sich dereinst von Trent Reznor produzieren ließ. Anschließend verfällt das Kollektiv in den Downbeat und behält den auch bis zum Schluss bei, jeweils anders übertüncht: In „Le monde me revient crié“ mit noisy Sounds, teilweise mit der Gitarre generiert, und schönem Frauengesang, in der Kombi erinnert der Track an vergleichbare Songs von Pigface. Der Rap kehrt bald zurück, der Beat legt zu, ein Shoegaze-Gitarrenteppich umpuschelt die Sounds und allmählich steigert sich alles zu handfestem Lärm.
Der Beat bleibt down, „Penser les plaies“ verwirrt mit Glocken und einer merkwürdigen Orgel, dann lässt das Projekt mit dem quasi-selbstbetitelten „ビオランテ 花獣形態“, also „Biollante in Blumenbestien-Form“, einen seiner genannten Einflüsse am deutlichsten durchsickern, denn der Track erinnert in seinem – nun – chilligen Industrial-Hip-Hop an Scorn, nur mit Sprachsamples versetzt. Für den im Original letzten Song „Pourquoi pas“ setzt Biollante moderne Hi-Hat-Sounds aus den Charts ein und legt nach einer Weile einen sehr aggressiven Rap darüber. Alsbald dominiert eine elektronische Monotonie, die an „Love God“ von Milk Cult erinnert, mit gehauchtem Gesang, der sich in Richtung Scream entwickelt, um wenigstens irgendwo den Black Metal einzubauen.
Interessanterweise enden alle Tracks exakt auf die Null-Sekunde genau, sind also zwischen 3:00 und 20:00 Minuten lang. Das trifft sogar auf die in der Redux-Version angefügten Instrumentals von drei der Album-Tracks zu, die also dem Scorn-Charakter mehr Rechenschaft zollen, da sie auf die Stimmen verzichten. Zuletzt gibt es mit „Que le soleil est froid, que la colère est noire“ einen im Downbeat bleibenden Bonus-Track, der exakt 6:00 Minuten lang und der „Sainte-Soline Benefit Split EP“ mit Non Serviam entnommen ist. Wie stark sich die Redux-Versionen von den Originalen unterscheiden und ob die Instrumentals die vom Original oder von der Redux-Variante sind, lässt sich nicht so leicht heraushören. Es scheint, als sei die Redux-Variante etwas harscher als das Original. Steht ihr jedenfalls gut.
Jetzt aber: Was genau ist Biollante? Zunächst handelt es sich um das einzige Pflanzen-Monster aus dem Godzilla-Universum, eine 1989 für einen Auftritt nach Fan-Vorschlägen aktivierte und gleich wieder vernichtete Rose mit Godzilla-Genen. Sich danach zu benennen, ist in Musikerkreisen nicht so selten, es gibt bereits Biollante-Projekte aus Manchester und Tokyo. Und nun also auch aus Paris, initiiert von Personen namens Void (männlich) und Moon (weiblich), die eigentlich das Black-Metal- bzw. Extreme-Music-Kollektiv Non Serviam sowie das Drone-Doom-Seitenprojekt Hiverlucide betreiben und sich für Biollante mit der Hip-Hop-Gruppe Gobscrew zusammentaten, die aus Personen besteht namens Ases, Tangs, Tinvz und Toinz. Als wären das nicht genug, schoben Biollante für „Le monde me revient crié“ noch Gäste ins Studio, mit ähnlich ausdrucksstarken Namen wie Basile, Lifs, Clara und Lila Minni.
Die Kombi geht auf, es ist mehr als nur spannend, was für Musik entsteht, wenn Leute, die nur offen genug sind, über ihren eigenen Tellerrand blicken und sich zu Musik inspirieren lassen, die mit ihrem eigentlichen Genre nix zu tun hat. Das gilt im Falle von Biollante für beide Parteien, den Hip Hop wie den Black Metal. Als Ergebnis der Kombination von Metal und Rap hat man noch den Crossover im Ohr, aber von dem sind Biollante gottlob weit, weit entfernt. Wie überhaupt von sehr vielem.