Bicycle Deck – Telepathic Table Games – Srogi Mroczek 2025

Von Matthias Bosenick (18.02.2025)

Kaum angekündigt, liegt das zweite Album des Projektes Bicycle Deck auch schon vor: Starteten Srogi Mroczek und E. Appleton im November noch im Downbeat und im Ambient, verdoppeln sie auf „Telepathic Table Games“ die Spielzeit auf fast eine Stunde, verschieben die Gemütslage ins Dunkle, lassen dezent mehr Rhythmik zu und experimentieren weiterhin ordentlich mit ihren Synthies herum. Von Synthiepop kann gelegentlich die Rede sein, wenn auch lediglich in einer abstrahierten Form. Aufmerksamkeit gebührt dem Duo zusätzlich für das kuriose Konzept hinter dem Album.

Man weiß bei allem, an dem Mroczek beteiligt ist, nie so genau, ob er die Hörerschaft nun hopsnimmt oder ob er das ganz schlicht und ergreifend ernst meint, was er da macht. Wie auch immer, die Motivation ändert nichts am Ergebnis, und das ist angenehm hörbar. Hier bezieht er sich laut Info auf „Parapsychologie, Pseudowissenschaften und ESP-Forschung“ und ließ sich auf „Unwahrheit“ ein, was der US-Amerikaner angesichts der aktuellen Lage für angemessen hielt. Appleton lässt zusätzlich wissen, dass die Siebziger-Alben von Miles Davis ein maßgeblicher Einfluss auf „Telepathic Table Games“ gewesen seien, außerdem Rollenspiel-Videogames und Goth. Okay!

Heißt hier: Die sechs Tracks zwischen vier und fast zwölf Minuten Länge sind so improvisiert wie die auf dem Debütalbum „Do Not Fold“, da wäre also schon mal der Aspekt Jazz abgedeckt. Die Wahl der Gerätschaften – analoge und digitale Synthies – verweist auf Computerspiel-Soundtracks und der Defekt eines Effektgerätes erzeugt laut Appleton Verzögerungen, was die Musik in Richtung gruftig schiebt. Eine gewisse Dunkelheit liegt in der Tat über den Tracks, die ausgedehnt und gemächlich Flächen bedecken und dazu einen spartanischen Klick als Taktgeber mitschleppen. Man hört den Wave-Sound der späten Siebziger, frühen Achtziger heraus, wenn Melodien absteigen, alles nach Moll klingt und nach Patchouli duftet und die fragmentarischen Melodien das warme Gefühl von ausgekühlter Enge vermitteln. Kurz vor Schluss lässt das Duo sogar noch einen Ausflug in den elektronisch erzeugten Noise zu; der verdrehte Rauswerfer verbiegt einem zudem das Gehirn.

Sei es nun, um Fans solcher übersinnlichen Spinnereien einen Spiegel vorzuhalten, oder, um sich ernsthaft mit den Effekten zu befassen, die eine Auseinandersetzung mit solchen Themen auf die Kreativität haben kann – das Ergebnis lässt sich angenehm hören. Dem Duo gelingen zwar abgedunkelte und minimalistische, aber schöne Räume, in denen man gern herumlümmelt. Man kann diese Musik trotz der retroseligen Herangehensweise und der entsprechenden Sounds nicht eindeutig als retro bezeichnen, da die Umsetzung etwas Heutiges ergibt, in den Strukturen und in der Unmöglichkeit, das Ganze einem Genre zuordnen zu lassen. Ja, man kann an The Human League 1978 denken, an frühe OMD, an The Neon Judgement oder an Fad Gadget, aber nur, weil das Gehirn nach vertrauten Referenzen sucht, und nicht, weil dieses Album wahrhaftig die Genannten kopiert. An Miles Davis hingegen denkt man eher nicht, wenn schon an Jazzer, dann allenfalls an Herbie Hancock zu Zeiten von „Future Shock“.

Sicherlich hatten Mroczek und Appleton Spaß beim Erstellen dieser Musik, und den hat man auch beim Hören. Um wen genau es sich bei E. Appleton handelt, ist immer noch nicht so recht zu ermitteln; die Tennisspielerin Emily Appleton dürfte es vermutlich nicht sein. Als nächstes kommen: Mroczeks Solo-Debüt sowie neue Alben von Towerhouser und Xoltergeist.