Von Matthias Bosenick (11.11.2025)
Keine leichte Kost, und das, obwohl man es von Jonas Kolb aus Schöningen gewohnt ist, keine leichte Kost vorgesetzt zu bekommen. Sein aktuelles Alias – neben seinem Klarnamen – ist Berenice, nicht zum ersten Mal, nebenbei. Auf einem Tape sammelt er die beiden EPs „Œvre“ und „Mama (Attrappe)“, gestaltet sie wie eine Black-Metal-Veröffentlichung, bietet aber Dark Ambient, Industrial-Noise und Spoken Word und verunsichert seine Hörerschaft nur umso mehr. Zumal die A- und B-Seite jeweils den zweiten und dritten Teil der „Trilogie des Todes“ beinhalten, man sich den ersten also noch separat zulegen muss. Harter Stoff!
„Trilogie des Todes“, okay. Jonas Kolb schafft es, mit der A-Seite „Œuvre“ elf Minuten lang ein an- und abschwellendes Rauschen zu generieren, das so wirkt, als würde es zerbröckeln, aber dann immer wieder neu ansetzt. Keine Melodie, kein Beat, nur Geräusch, nicht mal harsch. Während der Track läuft, wartet man darauf, dass er losgeht, und wundert sich, dass man dies elf Minuten lang tut, ohne sich zu langweilen. Diese Beklemmung setzt das Gefühl von Befreiung frei, aufgeschlossene Geister spuken mit Freude darin herum. Drei kurze Kolb-typischere Songs folgen, in denen er zu Industrial-Synthiepop-Beats auf verstörende Art verstörende Dinge von sich gibt, den Black Metal gedanklich nämlich integriert.
Das war der zweite Teil der „Trilogie des Todes“. Der dritte Teil trägt den schwer kopierbaren Titel „◤✞ 𝕸𝕬𝕸𝕬 (𝕬𝖙𝖙𝖗𝖆𝖕𝖕𝖊) ✞◥“. Der kurze erste Track erzählt die Geschichte von Berenice Leitner, deren Leben eine rituelle Kreuzigung ein Ende setzte. Als wäre das nicht gruselig genug, entlässt Jonas Kolb die Zuhörenden in einen Interview-Dialog von ihm selbst mit einem Kremateur, der dem Fragesteller haarklein und nüchtern sachlich erzählt, wie eine Einäscherung so abläuft, inklusive Papierkram und Verwesungsprozess. Erst nach Ablauf dieser Sequenzen kommt mit „Puppenmutters letzter Angstschiss“ der vertraute Kolb zum Vorschein, der Abscheulichkeiten in einer Gemengelage aus Black Metal und Industrial sowie Klassik, Theater oder Performance herauskotzt.
Dem Tape, auf dessen Cover „Das neue Testament – Wiedervereinigungs-Übersetzung“ steht, beinhaltet aus genau jenem eine herausgerissene Seite. Religion und Familientraumata, das sind die bestimmenden Themen Kolbs, und die finden sich auch bei deutlich erweiterter Darreichungsform hier ebenfalls wieder. Nicht zu finden sind Kolbs Songs übrigens auf Bandcamp: Jonas Kolb, Berenice lebt, Xchnum Miiimiikry und Puppengott sind vom Netz genommen. Berenice trat übrigens bereits vor einigen Jahren als The Berenice Soundproject in Erscheinung, kombiniert mit Ilse ausm Schützengraben, einem weiteren Alias Kolbs. Seine Musik ist stets mit der Öffentlichkeit geteilte Traumabewältigung und daher vornehmlich mental standfesten Hörenden anempfohlen.
