Von Matthias Bosenick (13.09.2024)
Reboots und Fortsetzungen erfolgreicher Hollywood-Filme der zurückliegenden 20 bis 50 Jahre sind immer Scheiße – oder? Wenn nun also ein Tim Burton auf die Idee kommt, seinem versponnen-fantasievollen 1988er-Hit „Beetlejuice“ über einen „Lottergeist“, der lebende Menschen aus einem von Geistern bewohnten Haus zu exorzieren hat, nach 36 Jahren einen zweiten Teil zu verpassen, darf man bei einem solch fantasievollen und kompromisslosen Regisseur doch etwas Sehenswertes erwarten, oder? Spoiler: nein.
Es gibt genau eine gute neue Idee in „Beetlejuice Beetlejuice“: den Soul Train. Zum Titellied der TV-Show „Soul Train“ der Soul Train Gang tanzt sich ein Zug voller teils entstellter Toter gutgelaunt ins Jenseits. Der Rest des Films ist eine Mischung aus Reboot und Fortsetzung, indem Burton alte Motive wiederkäut, etwa „Day-O“, den sockigen „Dune“-Sandwurm, das Modell des Ortes auf dem Dachboden des Spukhauses, die ellenlange Wartenummer, Schrumpfkopf Bob, und ansonsten die Geschichte 36 Jahre später quasi beliebig an den ersten Teil andockt, indem die damalige Jugendliche Lydia Deetz, jetzt traumatisierter Host einer TV-Grusel-Show und Mutter der Teenagertochter Astrid sowie nach wie vor Stieftochter der Künstlerin Delia, nach dem Tod ihres Vaters ihren schleimigen Produzenten heiraten soll und sich aufgrund verwickelter Vorkommnisse dazu gezwungen sieht, dreimal den Namen „Beetlejuice“ auszusprechen. Naja, der titelgebende Typ taucht halt auf, während sich Astrid in einen juvenilen Mördergeist verliebt, der sie dazu missbraucht, aus den Klauen des Jenseits‘ zu entkommen, denen Mutti und Beetlejuice sie nun ihrerseits entreißen müssen.
Diese Halb-Handlung stellt den einzigen Aha-Moment des Films dar, ansonsten verliert sich Burton darin, (sinn-)lose Fäden auseinanderfasern zu lassen. Eine zusammengetackerte dämonische Ex von Beetlejuice erhebt ein Anrecht auf eine Hochzeit mit ihm, obwohl er – wie im ersten Teil – Lydia heiraten will? Aha. Der neue Typ von Lydia ist ein Kackenhauer? Aha. Astrids Vater sitzt mit an ihm nagenden Piranhas an einer Verwaltungsstelle im Jenseits und freut sich über eine dortige Familienzusammenführung? Aha. Delias Gatte taucht als kopfloses Haiopfer nach einem Flugzeugabsturz im Jenseits auf? Aha. Beetlejuices schrumpfköpfige Helfer schlüpfen durch ein Portal ins Diesseits? Aha. Ein zweiter unterhaltsamer neuer Aspekt ist der verstorbene Schauspieler, der als Jenseits-Polizist verlorene Seelen aufspürt – aber auch nur, weil Willem Dafoe den so treffend verkörpert.
Burton hätte sich auf eine Linie konzentrieren sollen, denn so stolpert „Beetlejuice Beetlejuice“ zunächst orientierungslos vor sich hin und ackert sich ruckartig an Wortwitzen und Flashbacks ab, um das Achtziger-Publikum abzuholen. Erst die Geschichte von Astrid sorgt für etwas Ruhe und Atmosphäre, die Burton allerdings schnell wieder zunichtemacht. Ganz abgesehen davon, dass man auf eine Coming-Of-Age-Teenage-Romanze eigentlich keinen Bock hatte, wenn man die Fortsetzung von „Beetlejuice“ im Kino angucken geht. Die Erwartungen daran bedient Burton zwar auch, aber derart mit der Brechstange, dass ihnen der Humor und die Überraschung abgehen. Deformierte, blutige Körper, weder Horror noch Witz, vielmehr albern, wie die meisten Wortwitze und Wendungen.
Zudem geht dem Film Burtons geleibte Versponnenheit ab, seine visuelle Einzigartigkeit und seine filmische Kunst kommen kaum zum Tragen. Das Baumhaus des Mördergeistjungen passt noch ins alte Bild, der Rest sind sporadisch eingebaute Kopien des ersten Teils. Man bekommt den sehr starken Eindruck, Burton wolle ein Mainstream-Publikum ansprechen, indem er Mainstream-Kino macht – belanglose Bilder, Kameraeinstellungen, sogar Sounds; der Score von Denny Elfman bedient eher den Kitsch als die Kunst. Deutlich wird an einer Stelle lediglich, wie gut Sigur Rós zu Zeiten von „Svefn-g-englar“ noch waren. Überdies scheint Burton sich verpflichtet gefühlt zu haben, den Spagat zwischen Altfans und deren Kindern hinzubekommen: Einerseits verpflichtet er Teile des Original-Casts wie Michael Keaton, Winona Ryder und Catherine O’Hara, baut mit Astrids Geschichte aber auch Jungstars wie „Wednesday“ Jenna Ortega und den noch unverbrauchten Arthur Conti ein. Abermals an gesetztes Publikum richten sich Verpflichtungen wie Monica Bellucci, Willem Dafoe sowie Danny DeVito in einer kurzen Minirolle, bei der es sich um kein Cameo handelt, da er im Abspann explizit entlarvt wird. Möglich ist, dass Burton hiermit am ehesten Zuschauer be-geist-ert bekommt, die den ersten Teil noch nicht kennen und deshalb von manchem Schabernack überrascht werden könnten.
„Beetlejuice“ war 1988 Burtons zweiter Langfilm, von dem es anschließend eine TV-Zeichentrickserie gab, danach prägte er das Bild von „Batman“ zweimal neu, erweckte „Edward mit den Scherenhänden“, huldigte dem verlorenen Regisseur „Ed Wood“, überdrehte Endzeit-Alien-Filme mit „Mars Attacks!“ und spreizte seine Visionen mit dem dunklen „Sleepy Hollow“ und dem bunten „Big Fish“ auf, während er dem „Planet der Affen“ eine überflüssige neue Politur verlieh. Danach wurde es um Burtons Werk etwas beliebig, bunt oder so tiefböse, dass man es sich zwar gern einmal, aber ungern ein zweites Mal ansehen wollte. „Sweeny Todd“? Gut, aber erschöpfend. „Charlie und die Schokoladenfabrik“ und „Alice im Wunderland“? Gut, aber bunt und überdreht. Und dann: „Dark Shadows“? Schon vergessen. „Big Eyes“? Gar nicht erst geguckt. „Dumbo“? Furchtbar. So betrachtet passt „Beetlejuice Beetlejuice“ wiederum gut ins Bild – und birgt mit dem tödlichen Baby Beetlejuice, den Astrid am Ende gebiert, auch noch die Option auf „Beetlejuice Beetlejuice Beetlejuice“.
Und dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Warum sollte ausgerechnet Tim Burton eine gelungene Fortsetzung drehen? Bei all den egalen bis vergurkten Remakes, die bereits auf sein Konto gehen!