Baxter Dury – Allbarone – Heavenly Recordings 2025

Von Guido Dörheide (24.09.2025)

Baxter Dury kriegt langsam die Kurve: Ich muss ja zugeben, dass ich mich anfangs nur mit ihm beschäftigte, weil er der Sohn des großen Ian Dury ist und als solcher auch auf dem Cover von „New Boots And Panties“ (1977) enthalten war. Stimmlich und von der Stimmung her erkenne ich auch gewisse Parallelen zwischen Vadder und Sohn (auf dem vorherigen Album, „I Thought I Was Better Than You“ aus 2023, arbeitete sich Dury auch daran ab, der Sohn eines berühmten Vaters zu sein, auch ein großartiges Album), obwohl er eigentlich komplett sein eigenes Ding macht: Baxter Dury erzählt Geschichten und überlässt es den Sängerinnen (hier hauptsächlich J Grrey), Melodien zu den großartigen Songs beizusteuern. Und das gelang ihm noch nie so überzeugend wie auf „Allbarone“.

Im krassen Gegensatz zu „I Thought I Was Better Than You“, das musikalisch eher handgemacht und bassgitarrenorientiert klang, „The Night Chancers“, das zwar ebenso elektronisch wie „Allbarone“, aber irgendwie eher jazzig angehaucht rüberkam, und allem davor setzt Dury hier komplett auf monoton-funkige Elektrobeats. Singen – das hätte ihm gerade noch gefehlt, er murmelt bassig-monoton seine Texte herunter, „The white Barry White“ möchte ich ihn gerne nennen, und allen voran J Grrey kümmert sich um den Rest.

Das Eröffnungsstück „Allbarone“ ist gleichzeitig das nach dem Album benannte Titelstück, das genauso heißt wie das Album. Es hat einen länglichen Text, in dem es immer nur darum geht, dass doch irgendwer die Textnachricht beantworten und bestätigen sollte, dass er ebenfalls nach Allbarone käme. Hätte Dury Sprachnachrichten verwendet anstelle von Textnachrichten – seien Sie gewiss, liebe Lesenden, die/der Angesprochene hätte gewiss ihren/seinen Arsch in Richtung Allbarone in Bewegung gesetzt.

Das zweite Stück heißt „Schadenfreude“, und sicher, Schadenfreude ist auch eine Freude, und eine wahre Freude ist es, irgendwas ähnlich wie „Shudenfroyd“ gesungen zu hören. Und „But I’ve still got schadenfreude“ ist eine Hölle von einer Textzeile.

Und dann – in Xanadu did Kublai Khan a Pleasuredome erect usw. usf. – wird sich anscheinend weder an Frankie Goes To Hollywood noch an Samuel Taylor Coleridge abgearbeitet: „Chiswick’s Kubla Khan“ ist wahrscheinlich nicht derjenige, der sieben Kinder in nur einer Nacht zeugte (das war ohnehin Dschingis Khan und nicht Kublai Khan), sondern der „Son Of The Prodigal“, also nicht der verlorene Sohn, sondern der Sohn des Verlorenen. Dazu pluckert die Elektronik sehr schön und Durys Gesabbel und die melodischen Ausführungen Grreys harmonieren auf das Vortrefflichste.

Das folgende „Alpha Dog“ ist dann richtig böse: Der Text beginnt – mit weiblichem Gesang – damit, dass der Protagonist mal wieder zu schnell – natürlich nur sehr wenig zu schnell – gefahren sei, was aber nicht sein Fehler sei, und er brauche sich auch dafür nicht zu entschuldigen, schließlich sei er so geboren. OK. Naja. Und dann folgt „Please hurt me, hurt me, Please hurt me, hurt me, Feels like you are alpha dogging me, But I’m calm about who you are.“ Puh! Hier geht es also um ein gewalttätiges Arschloch, gegen das (Den! Es ist fast immer nicht „das“ oder „die“, sondern fast immer „der“) niemand etwas unternimmt, weil wir kennen ihn ja. Danach kommt die Antwort, vorgetragen von Baxter Dury: „Sorry for what I said, it was the other me you see“ – ja nee is klar, eigentlich ist er voll in Ordnung. Außer, wenn er einen Grund hat, nicht in Ordnung zu sein. Finde ich großartig von Dury, dass er seine Gesangspassage für die schonungslose Sicht auf die Täterperspektive zur Verfügung stellt. So geht es weiter und weiter in diesem Song und das immer wieder vorgetragene „Feels like you are alpha dogging me“ lässt die Hörenden entsetzt erschauern.

„The Other Me“ haut in dieselbe Kerbe, hier singt nur Dury, abgesehen von „Lalalala“ der Sängerinnen, hier fühlt sich jemand unverstanden, den man eventuell nicht verstehen kann oder muss.

„Hapsburg“, der mit knapp fünf Minuten zweitlängste Song auf dem leider nur gut 34minütigem Album (Durys Alben sind immer sehr kurz, was aber kein Qualitätsmanko darstellt, er bringt es immer schnell auf den Punkt und da braucht es kein 50-Minuten-plus-Album, niemals), haut dann in dieselbe Kerbe. Repetitiver, tanzbarer, wuchtiger Beat trifft auf düsteren Text („On darkest night, you drink in the rain / I can’t pretend to be the same / Like all of you / You’re not ashamed of who you are / As you tear this world apart / Hope I find myself“ – das spricht für sich selbst).

„Return Of The Sharp Heads“ – längster Song auf dem Album – führt uns dann weiter in die menschlichen Abgründe hinab. Es beginnt J Grrey: „You’re just a bunch of soul-fuckers Who rate yourselves / You’re just a bunch of soul-fuckers In beige lapels / I’ll sit back and admire how much you hate yourself / You’re just a bunch of soul-fuckers, You total cunts.“ Durys Erwiderung gerät nochmal ekelhafter und Arschlöcher entlarvender, dazu gibt es einen tanzbaren, düsteren Beat, ganz hervorragend. Auf „Mockingjay“ geht es dann genauso weiter: Ein Arschloch stellt sich als der weiße Riese aus dem Rathaus dar. Der er nicht ist. Sondern ein Arschloch reinsten Wassers.

Im abschließenden „Mr. W4“ geht es um – nein, nicht um WD40 oder um S100 Motorradvollreiniger – sondern um braune Anzüge (mag ich sehr!), holländische Fahrräder (fürchte ich!) und wieder einmal mehr um Abgründe, Abgründe, Abgründe.

„Allbarone“ (aka „All Bar One“, eine Kneipenkette im UK, der Herausgebende und ich würden hier jetzt noch „Albarino“ und „Albarosso“ anführen) ist bislang das tanzbarste Party-Album in Baxter Durys Schaffen, das sich schon über mehr als 23 Jahre hinzieht, und alle, die sich beim Tanzen die Texte anhören, lässt es erschaudern. Danke, Baxter Dury für Gesabbel und schwarze Gedanken, danke, J Grrey für Melodie, und danke, Paul Epworth fürs Produzieren solch fieser und dennoch tanzbarer Tracks.