Von Guido Dörheide (11.10.2023)
Geht es Ihnen auch so wie mir, dass Sie fortwährend Begriffe miteinander verwechseln, die Dinge beschreiben, die vollkommen verschieden voneinander aussehen? Oldenburg und Osnabrück, Weihnacht und Wehrmacht, Mastodon und Baroness? Nun, seien Sie völlig unbesorgt – sowas ist völlig normal und absolut kein Anzeichen einer Störung nach ICD 11. Was letztere beide betrifft, haben sie immerhin gemeinsam, dass es sich sowohl bei Mastodon als auch bei Baroness um Progressive-Metal-Bands handelt, die in Georgia beheimatet sind (Erstere in Atlanta, Zweitere in Savannah) und die Teile ihrer Wurzeln im Sludge haben und die bei mir wohl genau deshalb ähnliche Gefühle beim Hören ihrer Alben hervorrufen.
Sowohl bei Mastodon als auch bei Baroness fiebere ich jeder neuen Veröffentlichung immer schon Monate im Voraus gespannt entgegen – wohl wissend, dass eine Enttäuschung ausgeschlossen sein wird. Und so übererfüllt auch „STONE“, das neue Album von Baroness, meine Erwartungen um ein Vielfaches.
„STONE“ ist Baroness’ erste Veröffentlichung, die keine Farbe im Titel trägt. Nach „Red“, „Blue“, „Yellow & Green“, „Purple“ und „Gold & Grey“ sind alle möglichen Farben verwurschtet, nun musste also etwas Anderes her. Ich bin mal gespannt, ob sich Baroness’ nächste Alben weiterhin an Materialien orientieren, die beiden bisherigen Albumtitel mit einem „&“ würden ja zumindest förmlich nach einem Nachfolgealbum mit dem Titel „Plaste & Elaste“ (Live in Schkopau???) schreien.
Wie immer wurde das Cover des Albums von John Baizley gestaltet, dem Sänger und Rhythmusgitarristen von Baroness. Baizley hat eine sehr eigene Art und Weise, Albencover zu malen, ich will sein neuestes Werk hier gar nicht beschreiben – sehen Sie es sich an, halten Sie die bisherigen Baroness-Cover-Artworks daneben und erfreuen Sie sich an der Ähnlichkeit und der Weiterentwicklung – man hört den Sound von Baroness, wann immer man die Covers ansieht.
À propos Weiterentwicklung: Was mich von Anbeginn an immer schon sehr für Baroness einnimmt, ist der sehr schön wiedererkennbare Gesang Baizleys – er klingt immer, als stünde er mehrere Meter hinter dem Mikro (DAS ist die deutschsprachige Abkürzung für Mikrofon – nicht etwa „Mike“!) und gröhle mal so vor sich hin. Wenn man das öfter hört, stellt man fest, dass diese Art zu singen 100% zu Baroness passt und Baizleys Stimme ganz hervorragend ist. Dazu kommt die unglaubliche stilistische Vielfalt der Band – sludgetechnisch orientierter Progmetal ist ja eh schon immer dabei – und beim das aktuelle Album beschließenden Track „Bloom“ kommt eine schöne Folknote dazu, die Baizleys Stimme wunderbar scheinen lässt – hier steht er nicht mehrere Meter hinter dem Mikro, sondern direkt dahinter, und die Gitarre klimpert wundervoll dazu.
Und hier nochmal einige Worte zu den einzelnen Songs:
„Embers“ leitet das Album schön ruhig ein, und während man sich noch fragt, was das soll, brechen schon die kratzigen Riffs von „Last Word“ über die Hörenden herein, und alsdann fängt John Baizley an zu singen und spannt eine wunderschöne, in die Länge gezogene und getragene typische Baroness-Melodie auf, die zunächst von schmeichelnden Gitarren getragen und dann immer wieder von krachenden, bratzigen Gitarren aufgemischt werden, und ab Minute 2:42 (hihi, hallo Matze) [hihi … 08:01:12:12:15 07:21:09:04:15, Anm. d. M.] gibt es ein Solo, das wunderbar zum Song passt, aber in keinster Weise versucht, sich in irgendwessen Ohr einzuschmeicheln. Aus John Baizleys Aussage im metal.de-Interview, dass er kein guter Gitarrist und froh sei, dass Gina Gleason ihm die schwierigen Arbeiten abnehme, schließe ich, dass Gleason auch hier das Solo beigesteuert hat, und sage: Eine glatte 8 auf einer Skala bis 10! In anderen Worten: Urinate on a skeleton! An schließt sich „Beneath The Rose“ – der Song schleicht sich langsam an, Gitarre und Schlagzeug duellieren sich, dann bratzt die typische Baroness-Gitarre rein, um dann mit einer höheren Gitarrenmelodie umspielt zu werden, dann wieder Baronessbratzgitarre und Baizley-typischer Gesang, aber: Ist das noch Metal? Diese Art, eine Melodie zu singen, würde auch zu Alice Cooper passen, kurze Zeit später sind wir dann wieder zu 100% bei Baroness – ich liebe Bands mit dieser Art von Wiedererkennungswert. Den liefern Baroness hier ohne Wenn & Aber, nicht ohne jedoch zwischenzeitlich immer Passagen einzustreuen, die mir beim aufmerksamen Hören den Atem rauben. Ohne Übergang schließt sich nämlich „Choir“ an, und auf einmal rattert die Gitarre, es gibt viel Hall, Baizley spricht, anstatt zu singen, die Hörenden halten den Atem an, auf einmal unterhalten sich zwei Gitarren, und dann klingt das Stück einfach immer ruhiger werdend aus. Okay. Das kann jetzt aber noch nicht alles gewesen sein. Ist es auch nicht: Kurz vor Schluss ertönen peitschende Schlagzeuggeräusche, Baizley raunt irgendwelches Geraune und das stark countryfolkbeeinflusste Zwischenspiel „The Dirge“ ertönt – knapp über eine Minute lang, und während man sich fragt, was das denn nun alles soll, beginnt „Anodyne“. Langsam ratterndes Intro, langsamer typischer Baizley-Gesang, Gitarre mit mehr Hall als alles andere – super, wir sind wieder in der uns warm umfassenden Baroness-Welt verhaftet. Auf „Shine“ geht es erstmal sechseinhalb Minuten so weiter – alles, was wir an Baroness lieben, gibt es in diesem Song. Und danach folgt dann das Magnum Opus auf „STONE“ – „Magnolia“, also quasi Magnolien aus Stein. Das Intro schleicht sich sowas von ruhig heran, dass man es erst erkennt, wenn Baizleys Gesang – diesmal im Falsett – ertönt, eine Gitarre macht einen auf Country und dann: Der Gesang fällt ins Gröhlen, die Gitarren bratzen dazu, das Schlagzeug klingt oberflächlich ruhig, sorgt aber für sehr viel Most und dann – Akustikgitarre! Dann wieder Geschrammel und Geschrei, und dennoch klingt der Song sehr zurückgenommen und eher ruhig – wie machen die das? Weiß ich auch nicht, bin aber begeistert. Dazwischen gibt es wunderschöne Soli, dann wieder Baizleys energischer Gesang – hier offenbart sich auch dem/der Blindesten (m/w/d) unter den Zuhörenden, dass Baroness in einer völlig eigenen Liga spielen. Das folgende „Under The Wheel“ beginnt langsam und leise mit Synthesizern und vorsichtig ratternden Gitarren, außerdem baut sich eine wunderschöne Melodie auf. Minutenlang bleibt es eher gotisch denn metallisch, und zur Hälfte des Songs brüllt John Baizley dann mal so richtig los. Die musikalische Untermalung bleibt dabei melodisch und zurückgenommen – ein sehr schöner und effektvoller Kontrast.
Und wie fasse ich jetzt nun meine Meinung zu „STONE“ in einem einzigen, markanten Satz zusammen? Also meine Meinung zu einem Album, das vielschichtig, überraschend und Barones-typisch, vielleicht sogar eines der besten ihrer Alben ist? Okay…
… KAUFÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖN!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!