Von Matthias Bosenick (19.08.2025)
Babal halten sich an gar nichts. An sich errichtet das englische Art-Rock-Trio mit Gastbassisten beste Grundlagen für ausgemachten Lärm, hält seine Musik aber bedeckt und fokussiert sich mehr auf ernsthafte Verspieltheit und den Gesang. „Running The Gutter“, das irgendetwas zwischen zehnte und 15. Album seit 1999, repräsentiert das Freakige der Band, die dennoch nie in Extreme verfällt. Man könnte die Musik streckenweise sogar als Pop auffassen, wäre sie nicht so herrlich komplex und unangepasst.
Zwei herausstechende Merkmale hat die Musik von Babal: Loops und Stimme. Weite Strecken der vorliegenden sechs Tracks auf „Running In The Gutter“ loopen wahlweise auf Dauer oder als eingebautes Element im Hintergrund, der umso deutlicher ins Ohr fällt, je ausgeprägter die repetitive Sequenz ist. Das Haupt-Ohrenmerk liegt beim Genuss dieser Musik aber auf dem Gesang, häufig in tiefen Tönen und wechselvoll dargeboten von Karen Langley. Was Gitarrist und Keyboarder Robert „Rob“ Williams und Schlagzeuger Jon Sharp mit den Gastbassisten Paul Smith und Chris Gill drumherumbauen, ist oft megakomplex, dabei eingängig, fassettenreich, verspielt und trotzdem spürbar ernsthaft, weil die Band den Anschein erweckt, dringende Anliegen zu haben.
Gleich der Opener „One Big Family“ basiert auf einen kurzen Loop, das indes hinter dem harmonischen Wechselgesang zu verschwinden scheint. In „The Best Restaurants“ findet sich ebenfalls eine solche Loop-Sequenz, doch ist das ganze Stück anders grundiert, nämlich als Blues, der auch noch mit einem Gitarrensolo startet. Auch hier rückt die zurückhaltende Musik hinter den ausdrucksstarken Gesang. Für „The World That We Know“ kramen Babal das Riff von „Nutbush City Limits“ von Ike & Tina Turner aus und friemeln es in einen 7/8-Takt hinein. Hier ist das Schlagzeug zwischendurch mal etwas härter angeschlagen, ganz so, als wolle die Band die Hörerschaft darauf vorbereiten, dass sie ihre komplexe Lieblichkeit auch mal überspannen kann.
Das passiert nämlich in „Cake Music“. Zunächst startet der Song mit einem Twin-Gitarren-Solo und geht über in synthiebasierten Wohlklang mit Komplexität, abermals dominiert von einer nachdrücklichen Stimme. Sobald die Gitarre dann frech zu gniedeln beginnt, zieht die Band sogar das Tempo an und rockt drauflos. Ein richtiger Ausbruch! „We Shall Be Fables“ beginnt mit einem Afrobeat-Gniedel-Loop, den man sich so ähnlich bei den Talking Heads vorstellen kann. Der Rhythmus dazu ist schwierig nachzuvollziehen, ein Offbeat scheint da irgendwo verborgen zu sein, und während man dies noch zu ergründen versucht, setzen Military-Drums und Spoken Words ein und geben dem Song eine ganz andere Richtung. Das abschließende Titelstück beginnt dann ganz überraschend mit einer Trompete und geht über die aus Gniedelgitarren bestehende Brücke über in ein ruhigeres Stück, das latent episch wirkt und abermals mit der tiefen Gesangsstimme beeindruckt.
Laut Info ist „Running The Gutter“ das 13. Album von Babal, auf der Webseite der Band steht beim vor zwei Jahren erschienenen Vorgänger „Let’s Get Lucid“ indes, es sei erst das neunte. Andere Quellen geben „Collaborating With The Inevitable“ aus dem Jahr 1999 als das Debüt an, damals jedoch erschienen unter dem Namen Wise Children. Erst für das dritte Album „Shape Of The Flux“ veränderte das Trio 2012 den Namen, indes noch zu Babble, und erst auf dem fünften Album „The Circle Of Confusion Of Tongues“ 2018 traten sie als Babal auf. Jene Quelle listet insgesamt elf Alben plus drei Live-Alben auf, danach wäre „Running The Gutter“ also weder das zehnte noch das 13. Album. Von den vielen EPs und Singles mal gar nicht zu sprechen.
Die beiden Gäste am Bass sind überdies nicht erst für das neue Album an Bord, Gill von der Band Of Rain war in den zurückliegenden Jahren mehrmals dabei, Smith von den Tropical Hearts sogar seit 2012, also dem zweiten Beginn der Band. Optisch sind Babal übrigens so freaky wie akustisch, gewandet in wilden Kostümen, irgendwie victorianischer Kirmes-Steampunk oder so. Das erinnert, auch musikalisch, dezent an Sleepytime Gorilla Museum, ist aber weder optisch noch akustisch so extrem wie jene.