Von Matthias Bosenick (30.04.2014)
Nachdem Axel Klingenberg seinen Wahlheimatsort Braunschweig mehrfach literarisch beackerte, wirft er uns nun den nächsten Brocken vor: naheliegenderweise den Harz. In der ihm eigenen Art zwischen Ironie, Beiläufigkeit und Akribie trug er literarische Vorlagen, eigene Erfahrungen und allerlei Wissenswertes wie -unwertes, aber Interessantes zusammen. Gelegentlich warnt er den Leser indirekt davor, die von ihm beschriebene Orte selbst abzuklappern; meistens aber weckt er Neugier auf beispielsweise Tropfsteinhöhlen im Ostharz oder die Lektüre der von ihm zitierten Reiseberichte. Schade nur, dass er im letzten Kapitel diverse spannende Geschichten nur anreißt, anstatt sie auszuerzählen – sie hätten dem Abwechslungsreichtum des Buches gutgetan.
Natürlich kommt niemand umhin, bei einer Harzbetrachtung nicht auch auf hinlänglich Kolportiertes einzugehen, wie Hexen, das Oberharzer Wasserregal, den Rammelsberg, die frühere Zweiteilung und die Ödnis, die man als Stadtbewohner im Harz schnell ausmacht. Doch findet Klingenberg zu allem andere Blickwinkel und eigene Ansätze: Zum einen lässt er seine Altpunk-Attitüde gelegentlich durchblitzen, zum anderen verweist er auf die ihm zur Hälfte Recht gebenden, zur anderen Hälfte widersprechenden Vorbetrachtungen früherer Harzreisender. Seine Zitatesammlungen durchsetzt Klingenberg mit „Selbstversuchen“, die er wahlweise als Familienausflug oder mit Verleger Andreas Reiffer unternahm, der in diesem Zuge gleich die satirischen Fotos lieferte, die mit ihren Bildunterzeilen dicht an früheren Titanic- oder Max-Goldt-Humor heranreichen. Auf diese Weise klappert der Autor die bekannten und versteckten Attraktionen des südbraunschweigischen Mittelgebirges ab, inklusive spannender Informationen und Geschichten, die auch gelegentliche Harzbesucher mit Vorkenntnissen neugierig machen oder staunen lassen.
Zuletzt widmet sich Klingenberg den einzelnen Ortschaften des Harzes, der bei ihm recht weit gefasst ist: Er zählt den Kyffhäuser, Schöningen und sogar Göttingen noch mit dazu. Die Lücken, die das Buch trotz aller Fülle lässt und die der Autor abschließend aufzählt, haben indes den Geschmack eines Versäumnisses. Wer weiß, vielleicht plant der Autor eine Fortsetzung. Dann kann er zum Beispiel auch noch erzählen, dass die Bewohner von Bad Frankenhausen ihr gigantisches 360-Grad-Bauernkriegspanorama recht treffend „Elefantenklo“ nennen. Oder er widmet sich nächstens seiner alten Heimat: der Heide. Da hat er in Hermann Löns, der neben Hans Christian Andersen, Heinrich Heine und einigen Gegenwartsautoren im Harzbuch die Zitate liefert, eine veritable literarische Fundgrube.
In Summe wie immer ein vergnügliches Buch, das unterhält, informiert und das Bedürfnis nach losem Mundwerk befriedigt. Und das nach „Der Untergang“ von Hardy Crueger als weiteres Werk das Verlangen auslöst, sich in der als vertraut geglaubten Gegend mit anderen Augen erneut umzusehen.