Von Matthias Bosenick (26.08.2013)
Pünktlich zum Start der ersten Bundesligasaison für die Eintracht Braunschweig seit 28 Jahren erscheint vorliegendes Fanbuch mit Geschichten über den BTSV. Darin versammelt Axel Klingenberg Texte von 17 Autoren, die sich dem Verein in irgendeiner Form verbunden fühlen. Die Themenpalette ist angenehm breit, sie reicht vom ersten besuchten Spiel über den obligatorischen Aufstiegsjubel bis hin zu Problemen mit Nazi-Fans. Bei den Stimmungen der Beiträge überwiegt natürlich der Jubel, manche tragen Melancholie in sich, andere sind geschichtlich, sachlich oder kritisch, weitere nüchtern – und viele humorvoll, zwischen subtilem Sprachwitz und plättender Walze. Nicht alle Erzählenden haben zwar die Eigenschaft zum literarischen Fesseln, manche Berichterstatter nutzen die Plattform sogar zum Eigenlob. In der Summe bündelt das Buch aber auf unterhaltsame und auch lehrreiche Weise Geschichten von Eintracht-Fans auch für Leser, die es nicht sind.
Der Rezensent etwa ist nicht wirklich ein Fußballfan reinsten Wassers, sondern lässt sich von der Mischung aus Leidenschaft und Statistik mitreißen und fühlt sich als wohnhafter Braunschweiger mit Leichtigkeit der höchst sympathischen Eintracht verbunden. Das aus dem Mindestinteresse für Fußball resultierende Laienfachwissen reicht aus, um die Texte im Buch zu verstehen und die Anspielungen zu goutieren. Der Mut zur Lücke bleibt; es gilt ja immer, sich weiterbilden zu lassen.
„Warum wird man eigentlich Fußballfan?“, fragt Gerald Fricke im Eröffnungstext, und schildert den Umstand anhand eigener Erfahrungen, mit Blick in Fußballgeschichtsbücher und indem er die typische Berichterstattersprache persifliert. Einen Blick in Heinz Quicks Keller in Veltenhof in den 70ern wirft Lars Dobbertin, der von damaligen Treffen der Eintracht-Spieler in dem Privathaus weiß. Udo Muras rekapituliert die unbekannte Geschichte hinter der bekannten Geschichte der ersten Trikotwerbung in der Bundesliga. Das umstrittene Thema der Nazis in den Fanblocks greift zuletzt Maximilian Burkhardt auf. Dazwischen betrachten weitere Autoren sich selbst, wie sie erstmals den Eintracht-Virus injiziert bekamen, ihren Fan-Alltag, wie sie am Spielfeldrand ihr Leben entdeckten (bei Frank Schäfer etwa ist der Fußball die Kulisse für fulminant erzählte Adoleszenzanekdoten), wie sie die diversen Auf- und Abstiege erlebten (Gerald Fricke zeichnet dankenswerterweise die Bundesligaaufstiegssaison nach) oder – insbesondere einige Musiker unter den Fans – wie supergut sie selbst sind. Till Burgwächters zwischendurch mit derbem Humor aufgetischten Lästereien sind natürlich eigentlich Ehrerbietungen. Des Herausgebers vergnüglich-kritische Zusammenstellung von Namen aus der Fußballszene sowie Vereinen beendet dieses Fanbuch.
Das Buch setzt im Grunde die Textsammlung „Eintracht und Zwietracht“ von vor zwei Jahren fort, in der viele der Beitragenden bereits mit Eintracht-Geschichten vertreten waren. Wie immer bei Samplern findet man auch in „Blau-Geld-Sucht“ nicht alle Künstler oder Werke toll, manchmal, weil sie den persönlichen Geschmack nicht treffen, manchmal, weil die Schreiber es technisch nicht draufhaben oder weil sie langweilen, aber die Mehrheit der Vertretenen unterhält und informiert bestens. Das gezwungene Hannover-Bashing nervt, aber das tut es auch außerhalb dieses Buches, ebenso wie das Braunschweig-Bashing aus Hannover. Es gilt nun, mit dem umtriebigen Herausgeber und der sympathischen Mannschaft auf eine Fortsetzung des Buches zum Klassenerhalt der Eintracht hinzufiebern.