Von Matthias Bosenick (02.09.2025)
Hier greift die Selbst-Einsortierung auch etwas ins Leere: Krautrock, Psychedelic Rock, Jazzrock? Alles schwierig ohne Bedenken abzunicken. Was Automatism aus Stockholm auf dem in Sörmland aufgenommenen Album „Sörmland“ machen, ist indes tatsächlich mit Schlagworten kaum beizukommen. Eine leicht entrückte, partiell verdunkelte Version von Yo La Tengo vielleicht? Also deren Version von fragilem Indie-Rock, nicht die manische Drone-Variante. Alles ohne Gesang und mit zwei Coverversionen, die gegensätzlicher kaum sein könnten – Angelo Badalamenti und Kraftwerk.
Dabei fallen diese beiden Adaptionen im Verlauf des Albums sogar kaum auf, weil sie sich perfekt an den Automatism-Sound anpassen und in den Soundfluss einfügen. Der besteht aus einer Art Indie-Rock, indes ohne Verzerrung auf der E-Gitarre. Auch das Schlagzeug huscht zumeist lediglich dezent in den Stücken herum, der Bass öffnet eine zusätzliche Dimension. Unglaublich schön ist das, was die Schweden so machen, zerbrechlich, behutsam, in sich stabil und kraftvoll genug, um auf Strecke keine Schwäche zu zeigen, um durchzuziehen, um die musikalische Vision komplett auszurollen. Das machen die Stockholmer so einnehmend, dass man ihnen nur folgen mag, egal, welche Richtung sie einschlagen. „Sörmland“ ist schöne Musik.
Gerade fünf Lieder bietet das Album. „Video“, mit 4:44 Minuten das kürzeste Stück, eröffnet es in einem irreführenden Uptempo. Flott und fluffig legen Automatism los, fahren so aber nicht fort: „Honey Trap“ ist eine solche, man klebt an dem Zehnminüter, der das Fragile des Indierock versiert auslebt, mit Details bestückt, mit schwankender Intensität im Gitarre-, Bass- oder Schlagzeugspiel, nie brachial, so voller Details, dass man wie gebannt zuhört und gespannt ist, welchen behutsamen Haken der Track als nächstes schlagen würde, und er schlägt eine Menge. Irgendwo in diesem Stück ist eine Akustikgitarre verborgen, die man gelegentlich durchschimmern hört, als wäre sie das einzige bemerkenswerte Detail dieses Sounds. Ist sie nicht.
Als nächstes widmen sich Automatism einer ihrer Lieblings-TV-Serien der Neunziger und erinnern an „Laura Palmer’s Theme“ von Angelo Badamalenti, also an „Twin Peaks“. Damit wird der Sound etwas dunkler als zuvor, behält aber seine Fragilität bei. So richtig eine Coverversion ist dies nicht, eher eine Annäherung, ein Zitat, eine Weiterentwicklung, eine Transformation. Ebenso das nächste, nämlich „Neon Lights“ von Kraftwerk, das ja im Original mitnichten mit klassischem Rock-Instrumentarium eingespielt wurde (indes auch nicht zum ersten Mal mit einem solchen gecovert). Automatism transferieren auch dieses Stück in ihren eigenen Sound, als wäre es ein eigenes, betten die vertraute Melodie in ihren machofreien Indie-Rock ein und spielen es wie etwas Originäres. Zuletzt setzten Automatism alles im Titeltrack fort, was man bereits kennt, walzen das über mehr als elf Minuten aus und überraschen dennoch, denn sie steigern die Intensität und begleiten diese Schein-Eruption mit einem Saxophon.
2018 erschien mit „From The Lake“ das Debüt von Automatism, „Sörmland“ ist das vierte Album nach fünf Jahren Pause. Die Besetzung behielt das Quartett durchgehend bei, und man kann festhalten, dass jeder der vier mehr als nur eine Profession auslebt; jeder tobt sich ansonsten überdies bei ein bis unendlich vielen anderen Bands aus, miteinander unter anderem bei Kungens Män und Fanatism. Hans Hjelm spielt E-Gitarre, Synthies und Percussion. Gustav Nygren übernimmt elektrische und akustische Gitarren, Tenor-Saxophon und Percussion. Mikael Tuominen steuert Bass, Synthies, E-Piano, echtes Piano und Percussion bei. Jonas Yrlid ist das Schlagzeug zu verdanken und, ganz überraschend, ebenfalls Percussion. Was sich merkwürdig liest, denn so perkussiv erscheint das Album gar nicht, dafür ist die Musik viel zu dezent. Aber in den Details liegt die Kraft. Als psychedelisch indes ist „Sörmland“ nicht wirklich aufzufassen, aber das macht nichts, denn dieses Etikett kann man auch schlicht als Hilfsausdruck auffassen dafür, dass man das Album gar nicht kategorisieren kann.