Von Matthias Bosenick (10.12.2016) / Auch veröffentlicht auf Kult-Tour Der Stadtblog
Wer Ajomi kennt, weiß, dass sich die Musik dieses sich weltweit inspirieren lassenden Folklorequartetts nicht nur überhaupt von der anderer Bands unterscheidet, sondern auch je nach Auftrittsort differiert: auf dem Floß, in der Kirche, in der Kneipe, open air. Diese klangliche Vielfältigkeit im Studio einzufangen, ist ein entsprechend schwieriges Unterfangen, das nur eine einzelne Fassette Arjomis einfangen und abbilden kann, und zwar eine, die das Liveerlebnis ergänzt. Willkommen zur Freakhypnose.
Eine größere instrumentelle Vielfalt als Arjomi dürfte kaum eine Band bieten. Der Laie wird die meisten verwendeten Instrumente weder heraushören noch benennen können. Akustikgitarre und Percussion allgemein sind natürlich vertraut, Regenmacher, Akkordeon, Flöte, Didgeridoo und Maultrommel erkennt man auch, doch wundert man sich über die Vielzahl an Gerätschaften wie Gong, exotischen Saiteninstrumenten, Djembés, Klangschalen und wer weiß, was die vier Musiker da alles zusammentrugen. Zudem steuern sie mit ihrem Mund – außer dem Gesang – obskure Töne bei, pfeifend, wiehernd oder mit Obertongesang.
Arjomis Folklore folgt keiner reinen Lehre. Sie bedient sich bei nordamerikanischen Indianern, bei Iren, im Orient, in Australien und bei der eigenen wildwachsenden Kreativität. Die Stücke, um herkömmliche Lieder handelt es sich nie, ufern aus, drehen sich um sich selbst, variieren ihre Intensität, malen Bilder vor dem inneren Auge, befeuern die Hypnose und fordern, wenn nicht zum drogenlosen verzückten Hindämmern, dann zum ekstatischen Tanz auf. Bisweilen bewegen sich Arjomi jedoch knapp an der freakigen Albernheit entlang, für Stücke wie „Dingdaggading“ mit dem variierten „wir sind hier“ rund um den Titel gesprochen oder „Mongole“ mit dem nachgemachten Pferdeschnauben muss man schon einigermaßen mit der latent esoterischen Szene vertraut sein, um sich nicht befremdet grinsend abzuwenden. Doch grinsen ist erlaubt, die vier haben selbst Spaß an ihrer Musik und ausreichend Humor, um über sich selbst zu lachen. Unbeirrt setzen sie also ihre Ideen um und ihren Weg fort. Recht so. Es bleibt ausreichend Raum für Mystik: Der Rauswerfer „Happy Metal“ etwa weicht komplett vom bisherigen Sound ab, indem er rein metallisch-perkussiv eine geheimnisvolle Düsternis kreiert.
Als regelmäßiger Besucher der Konzerte Arjomis sind einem die Stücke dieser 75-Minuten-CD vertraut. Indes, naturgemäß ist ihr Erscheinungsbild anders als bei einer Liveumsetzung. Der jeweilige Raum gibt der Musik ein eigenes Echo, eine eigene Atmosphäre, sei es eine Okerbrücke bei einer der Floßfahrten, die Jugendkirche beim klassischen Silver Club oder das Café Riptide mal so ganz nebenbei. Im Studio klingt die Musik erstaunlicherweise dichter am Hörer als bei einem Konzert, weil die Instrumente fokussierter gebündelt sind und man sich als Teil der Aufnahme empfinden kann. Alles ist klarer, die Hintergrundgeräusche bleiben weg, die ansonsten die Musik in den Alltag einbetten. Hier ist man ihr direkt ausgesetzt. Den Effekt ihrer Musik auf den Hörer besingen Arjomi in „Klangperlen“ gleich mal selbst: „Gedanken komm’n und zieh’n vorbei.“
Die vier Hippies – Michael Proniuk, Falko Mai, Joe Coxall und Jogi Schnaars – erreichen nicht nur in Braunschweig musikalisch einen Exotenstatus, so etwas wie deren Musik ist schon wirklich speziell. „Sturm“ ist ein eigenständiges Werk, das die Auftritte begleitet, und man darf sich schon jetzt auf den Nachfolger freuen, für den Jogi eine Armada neuer Instrumente ankündigt. Dingdaggading!