Von Matthias Bosenick (31.12.2013)
Es war Zeit, dass Apocalyptica einmal unter ganz anderen Voraussetzungen musikalisch aktiv wurden. Es ist nicht die erste Entwicklung, die die Cellisten aus Finnland in den vergangenen 20 Jahren durchmachen, und sicherlich auch nicht der Ausblick in die Zukunft der einstigen Metal-Klassiker, sondern ein einmaliges Projekt. Denn im Wagner-Jahr erweisen Apocalyptica dem Komponisten auf ihre Weise Tribut, indem sie Songs spielen, die sie an seine angelehnt komponierten, und sich dabei unter anderem von einem Orchester begleiten lassen. Und das alles live. Respekt!
Die durchgeknallte Opulenz der Darbietung war der des Gewürdigten ebenbürtig: Zum 200. Geburtstag Richard Wagners spielten Apocalyptica mit dem voll instrumentierten MDR-Sinfonieorchester, dem MDR-Rundfunkchor sowie Tänzern, Zirkus-Artisten und weiteren Bühnenleuten, in Summe 250 Personen, Stücke, die sie um vertraute Melodien Wagners herumkomponierten. Da Wagner für viele ohnehin Metal machte, ist die Brücke zu Metal-Cellisten schnell geschlagen. Doch glücklicherweise verfallen Apocalyptica hier nicht in die Gothic-Klischees, die sie zuweilen auf ihren Alben bedienen zu müssen glauben. Das ist hier auch gar nicht möglich. Wenngleich eine weitere Aufführung des Spektakels geplant ist, zu Pfingsten – wenn das Wave-Gothik-Treffen in Leipzig stattfindet. Da hat man nun mal seien treuesten Anhänger.
Statt Gruftklischees bekommt man Klassikklischees, ja: ein klassisches Konzert moderner Machart mit viel Wumms, fidelem Gefiedel, Schlagzeug, Groove, entspannten Passagen und natürlich auch einem gehörigen Maß Kitsch sowie Cellisten, die ihre Instrumente so klingen lassen wie sägende Metal-Gitarren. Weder Apocalyptica-Fans noch Klassik-Hörer dürften diese Mischung gewohnt sein. Gesang gibt es übrigens keinen, und das ist auch gut so.
Den gesamten, fast 100-minütigen und ziemlich irren Auftritt kann man sich in der MDR-Mediathek anschauen. Da wundert man sich dann aber, wie die Tonträgerisierung einer öffentlichrechtlichen Veranstaltung dann über Pledge finanziert werden muss. Ohne Pledge hätte es die CD (und LP) nicht gegeben. Man fragt sich ja ohnehin, warum man für DVDs von Programmen, die man mit der GEZ-Abzocke bereits finanziert hat, nochmal extra zahlen muss, und zwar weit über den Wert der DVD-Produktionskosten hinaus. Und man wundert sich fürderhin, warum „Wagner Reloaded“ nicht ausschließlich als DVD unter die Massen kam. Egal, das achte Album und erste Live-Album von Apocalyptica versöhnt den erwachsener gewordenen Fan mit den mattenschwingenden Popklassikmusikern. Und Rondo Veneziano sind gottlob noch ganz weit weg.