Von Matthias Bosenick (26.04.2015)
Man kann Apocalyptica nicht vorwerfen, dass sie sich nicht entwickeln. Zumindest ihre eigenen Grenzen überschreiten die einstigen Metallica-mit-vier-Celli-Nachspieler immer wieder; dumm nur, dass das Ergebnis im Vergleich mit dem Rest des Universums so wenig Weiterentwicklung birgt. Neu ist dieses Mal bei den Cellometallern, dass es keine wechselnden Stimmengäste mehr gibt, sondern einen festen Sänger. Und in einem Track hört man elektronische Breakbeats. So weit, so okay. Leider ist das Album ein mittelmäßiges Mainstreamwerk geworden. Ob da nun Cello draufsteht, ist oftmals egal, weil die Songs – besonders, weil seit einigen Alben ein Drummer zum festen Line-Up gehört – meistens mediokren Softrockheulern ähneln. Offenbar haben die Finnen den fälligen Schritt zur Erwachsenenband übersprungen und sind bei junggebliebenen Classic-Rock-Rentnern angekommen, die damit gleichzeitig junge Alternative-Rock-Hörer erreichen wollen.
Franky Perez ist der Mann, der Apocalypticas achtem Studioalbum die einzige Stimme leiht. Bisher nur wenig auf fiel der Mann als Sänger der Alternative-Rock-Band Scars On Broadway. Er neigt wie viele seiner populären Kollegen dazu, Silben pathetisch zu dehnen und damit ein künstliches, aber leider kein künstlerisches Drama zu erzeugen. Er macht sicherlich rein technisch gesehen einen soliden Job, aber wer das genau deshalb gut findet, sitzt dem medial aufgedrückten Missverständnis auf, dass es reicht, eine attraktive Stimme zu haben und vorgegebene Noten vernünftig treffen zu können, um als „gut“ und damit schlimmerweise potentiell erfolgreich zu gelten. Die mit solchen bestimmt honorablen Sangesleistungen verbundene Musik hingegen ist meistens der pure Schrott. So schlimm ist es bei Apocalyptica gottlob nicht, aber dazu später mehr. Nicht zuletzt wären viele etablierte Sänger mit Seele nach heutigen Kriterien nie zu dem geworden, was sie sind; man imaginiere sich Leute wie Patti Smith, Mark E. Smith, Janis Joplin, David Gedge oder selbst Herbert Grönemeyer und Nena vor einer beliebigen TV-Jury. Eine Stimme mit Charakter und ein beseelter Vortrag machen vermeintliche Gesangsfehler nicht nur wett, sondern lassen den Anspruch an sie in den Hintergrund verschwinden und das Gesamtergebnis zählen.
Ein Franky Perez nun also kann singen, sicherlich. Doch was hilft’s, wenn Apocalyptica keine Songs einfallen, die sie vom Mainstreamrock unterscheiden. Dafür braucht es keine Celli, dafür muss man sich „Shadowmaker“ nicht anhören. Der Mut zum Experiment geht den Finnen hier leider weitgehend verloren, dabei ließen die vorherigen Veröffentlichungen genau Gegenteiliges erhoffen. Es war auf den Studioalben eindeutig wahrzunehmen, dass die Stücke mit den prominenten Sängern meistens eine vom Label geforderte Chartstauglichkeit erfüllten und die Band auf den instrumentalen Songs dazwischen ihre Lust am Experiment auslebte. Höhepunkt war „Bring Them To Light“ mit Joe Duplantier von Gojira auf „7th Symphony“, das einen relevanten Gastsänger mit mutiger Komposition vereinte. Zwischen jenem Album und dem neuen Werk gab es die Live-CD „Wagner Reloaded“, die vor Wahnwitz und Unfassbarkeit strotzte. Und das Gewicht auf eine weitere Komponente im Soundkosmos der Band verlagerte, die zuletzt etwas zurückgewichen war: die Klassik, an die man im Zusammenhang mit Cellisten auch ruhig mal denken darf.
Abgesehen von den Elektro-Elementen in „Riot Lights“ sind es besonders die Passagen, die nicht wie mittelmäßige Metalgitarren klingen, sondern nach Celli, die „Shadowmaker“ interessant machen – und es von eben Rockmusik unterscheiden. Was nutzt schon eine Cellomusik, die Gitarren so exakt kopiert, dass sie sich selbst überflüssig macht. Ist ja nett, dass sie das können, das sollen sie auch dürfen, aber dann sollen sie bitte attraktivere Musik komponieren. Sonst klingen sie doch nur wie eine Rockband, die sich uninspiriert von einem Orchester begleiten lässt, weil Deep Purple das schon konnten und die Verkäufe mal wieder angekurbelt werden müssten. Apocalyptica verlieren an Eigenständigkeit und machen sich damit selbst obsolet.
Übrigens gibt es das Album als limitierte Version mit den Stücken „Reign Of Fear“ und „Come Back Down“ als Bonus. Interessanterweise kleben die nicht einfach hinten an den anderen zehn Stücken, sondern sind unter sie gemischt; da sie attraktiver sind als viele andere Stücke, stellt sich auch hier die grundsätzliche Frage nach der Idee von einem Album. Mit zwölf Stücken ist es jedenfalls die bessere Variante, sieht man davon ab, dass man „Shadowmaker“ trotzdem nicht wirklich braucht.