Von Matthias Bosenick (18.11.2024)
Schalt dein Radio ein: Drei entspannte Songs kredenzt Anthony Miller auf seiner jüngsten EP „Cyanotypes“, klassisch eingeleitet durch ein Intro mit einer Anmoderation wie im Radio. Seine Musik dürfte weitestgehend im nordamerikanischen Folk angesiedelt sein, jedoch nur so weit, dass er dabei Klischees umgeht und seinem Wohlklang eine Basis immerhin auf Holzinstrumenten gibt. Man hört ein Banjo, ja, jedoch unaufdringlich, songdienlich. Cello, Schlagzeug, Akustikgitarre, Chorgesang, die Welt des Gifhorners ist warm, weich, umfangend, kitschfrei.
Weite Strecken kommen ohne Schlagzeug aus, und wenn es einsetzt, merkt man es gar nicht sofort. Es ist dann einfach da und trägt die Songs weiter, die zunächst auf Saiteninstrumenten und mit schönem Gesang starten; zumindest die ersten beiden, der dritte steigt gleich mit Drums ein. Alle drei Songs verlegen sich nicht auf diese plakative Gute-Laune-Folklore, wie sie vor einigen Jahren populär war; nicht, dass Miller einem schlechte Laune macht, vielmehr pendelt die Stimmung hier zwischen zarter Melancholie und Sehnsucht, kombiniert mit der Zuversicht, sich in vertrauensvoller Gesellschaft zu befinden.
Man wähnt sich irgendwo im Westen der USA, in einer weiten Landschaft, die einem keine Grenzen setzt und einem damit zwar Freiheit suggeriert, aber auch Orientierungslosigkeit aufbürdet. Die „Cyanotyopes“ nehmen die Hörenden an die Hand und geleiten sie wieder auf einen festen Weg. Sind „From Black To Blue“ und „Ghost Town“ noch davon bestimmt, dem Gehenden, Suchenden zur Seite zu stehen, übernimmt „Wild Warming Winds“ den flotten Gang in eine konkrete Richtung und hinterlässt die Hörenden stabilisiert.
Auf nahm Miller die Songs in seinem Gifhorner Studio. Dazu gesellten sich Schlagzeuger Marcus Theilmann und Bassist Mario Kolbe, die auch in Millers Live-Band „The French Press“ spielen. Das wunderbar warme Cello spielt die Portugiesin Maria Luís Duarte, zudem singt sie im Hintergrund. Interessant ist das Intro, das, wie Miller berichtet, zufällig spontan entstand: Für „Introduction Cyaontypes“ steuerte der Doo-Wop-Sänger Sven Scharfenberg einen A-cappella-Gesang bei, dann spricht der Kanadier Bob Bavnani seine Radiomoderation dazu, mit einer Stimme, der man gern weiter zuhören würde.
Seit 2018 veröffentlicht Miller unter seinem eigenen Namen Singles und EPs, ein Album des Gifhorners steht noch aus. Bei richtiger Zählung dürfte die „Cyanotypes EP“ seine elfte Solo-Veröffentlichung sein. Vor seiner Solo-Zeit spielte er von Teenagerzeiten an in zwei Bands, Pacemaker und Just A Pilgrim.