Von Guido Dörheide (13.11.2025)
Es macht Hoffnung, dass Hollywood zu Zeiten des Umbaus der USA zu einer faschistoiden Autokratie durch einen orangefarbenen Irren und seine willigen Handlanger einen Film wie „The Change“ produziert. Hoffnung, dass es im ehemaligen Land der Freien, Heimat der Mutigen, noch eine groß genuge Gemeinschaft gibt, die der Ansicht ist, Abschaffung der Demokratie und Hinwendung zum Absolutismus sei nicht normal, sondern schreckenerregend und übel.
„The Change“ handelt von einem ebensolchen Umbau der Gesellschaft und der Politik in den USA, der sich binnen fünf Jahren vollzieht und Gleichschaltung der Bevölkerung sowie gestapomäßige Überwachung Andersdenkender beinhaltet.
Alles beginnt auf der Silberhochzeit von Ellen und Paul Taylor: Ellen ist Professorin an der Georgetown-Universität und Paul betreibt ein gehobenes Restaurant, zur Silberhochzeit erscheinen zahlreiche Freunde des Paares sowie ihre Kinder: Cynthia, Umweltanwältin, Anna, Stand-up-Comedian, Josh, erfolgloser Schriftsteller, der anscheinend bislang nichts veröffentlicht hat, und Birdie, die noch minderjährige Tochter, die sich für Wissenschaft (insbesondere für Virologie) interessiert. Cynthias Mann Rob arbeitet mit ihr zusammen als Anwalt und träumt von einer Familie, Cynthia hingegen möchte keine Kinder, Anna ist sehr erfolgreich und trinkt gern und viel, Josh wirkt zynisch und mit sich selbst und seinen Misserfolgen im Unreinen, Birdie hängt an ihrem Bruder (er spricht sie immer mit den Worten „bird is the word“ an und diese Anspielung auf „Surfin’ Bird“ ist auch tatsächlich der einzige sympathische Zug an Josh) und sucht inmitten der Familiengemengelage nach etwas Eigenem (das sie am Schluss findet, aber sehen Sie selbst, ich möchte hier nicht spoilern). Josh wird begleitet von seiner neuen Freundin Liz, die ein Buch mit dem Titel „The Change“ geschrieben hat, das sich gerade zum Neuesten Heißen Scheiß entwickelt. Ellen (herausragend gespielt von Diane Lane) kommt die zukünftige Schwiegertochter bekannt vor, und dann fällt ihr ein, dass sie sie einst als Studentin unterrichtet hatte und, als ihr Liz’ Ansichten merkwürdig faschistoid vorkamen, dafür gesorgt hatte, dass Liz die Georgetown-Uni in allen Unehren verlassen musste.
Josh, der zu Anfang des Films in einem Gespräch mit seiner Mutter deutlich macht, dass er von seinen eigenen – immer im Anfangsstadium abgebrochenen – Werken nichts hält, hängt umso mehr an Liz und vergöttert sie und ihr Werk.
In der Folge springt die Filmhandlung vier mal um jeweils ein Jahr weiter und es wird gezeigt, wie a) Liz’ und Ellens Rivalität einen Keil in die Familie treibt und b) sich die USA innert fünf Jahren in einen faschistischen Überwachungsstaat verwandeln.
Josh verwandelt sich innerhalb der Filmhandlung vom selbstunsicheren Bewunderer seiner Ehefrau zum machtgierigen, seine Chancen innerhalb des neuen Systems nutzenden Despoten, die zunächst durch nichts aus ihrer Selbstsicherheit zu bringende schlagfertige Comedienne Anne wird durch die neue Gesellschaftsordnung in den Abgrund gerissen, Cynthia stürzt aufgrund der sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und ihrer denen ihres Mannes diametral zuwiderlaufenden Vorstellungen für das gemeinsame Leben in eine sehr ernste Depression, Ellen verliert ihren Job, weil ihre politischen Vorstellungen nicht mit dem neuen Regime konform gehen, und Pauls Restaurant geht Pleite. Einzig Birdie mit ihrem jugendlichen Idealismus vermittelt anfangs noch Hoffnung, doch auch das hält in den USA des „The Change“ nicht lange an.
„The Change“ wird von Liz zu Anfang des Films als eine neue Denkweise, die vom Zweiparteiensystem, dass die USA lähmt, Abschied nimmt und nur den Menschen und damit die reinste Form der Demokratie zum Ziel hat, gepriesen. Schnell wird jedoch klar, dass die Abschaffung der Parteien dadurch erreicht wird, dass ein gewinnorientierter Konzern an deren Stelle tritt und anstatt der Freiheit des/der Einzelnen eine Unterwerfung aller Bürger:innen unter die „The Change“-Ideologie erfolgt. Gut deutlich wird das in einer Szene, in der zwei vermeintlich schüchterne und höfliche junge Frauen eine Volkszählung durchführen: Schnell stellt sich heraus, dass das einzige Ziel der Volkszählung die Überprüfung der Linientreue der Bürger:innen ist und dass die vermeintlich harmlosen Befragerinnen schnell mit Drohungen gegenüber der Familie für den Fall herausrücken, dass sich die Eheleute Taylor nicht der herrschenden Meinung unterwürfen. Hier bleiben den Zusehenden das Popcorn und die mittlere Cola im Hals stecken, denn die Verhörsituation erinnert an zahlreiche Filme, die sich mit der Nazi- und DDR-Vergangenheit Deutschlands beschäftigen, und dann wird einem klar, dass diese Filme eine positive Stimmung befördern, da sie Unrechtsstaaten zeigen, die wir überwunden haben. Die Szene in „The Change“ hingegen beschreibt einen Staat, der uns bevorsteht, wenn die AfD eines Tages die Regierung stellt. Und das befördert eine Stimmung, in der man gar nicht so viel essen kann, wie man kotzen möchte.
Am Anfang des Films habe ich mich schwergetan, mit ihm warm zu werden. Ellen (Diane Lane) und Paul (Kyle Chandler) sind ein sympathisches Paar, das sich nach 25 Jahren Ehe so liebt wie am Anfang, die Töchter sind sympathische, erfolgreiche Menschen, einzig Josh wirkt von Anfang an wie ein Widerling (zunächst dachte ich, ich tue ihm Unrecht, aber das hat sich schnell gegeben), aber die ganze Gemengelage mit der rauschend euphorischen Silberhochzeitsgartenparty stieß mich ab und wirkte künstlich. Einzig Birdie (überragend gespielt von Mckenna Grace) mit ihrem leicht melancholischen Wesen und ihrer ernsten Begeisterung für die Naturwissenschaften taugte als Identifikationsfigur. Das bleibt auch so, aber im Angesicht des Zerfalls (sowohl der Familie als auch der Gesellschaft) sehnte ich mich dann schnell nach der rückblickend doch sehr heilen Welt aus der Zeit des Beginns der Filmhandlung zurück.
„The Change“ funktioniert meines Erachtens sehr gut, um zu verdeutlichen, das faschistoider Populismus sowohl für das persönliche Leben der Menschen als auch für Staat und Gesellschaft das sichere Verderben bedeutet und dass dabei niemals Nutzen, Wohlstand und Glück der Allgemeinheit das Ziel ist, sondern immer nur das Machtstreben und die hemmungslose Bereicherung einiger weniger privilegierter Eliten, die bereit sind, allen humanistischen Werten abzuschwören, befördert werden. Bis am Ende alles krachend den Bach runter geht.
