Von Matthias Bosenick (22.07.2025)
Keine Ahnung, was Andreas Eschbach sonst so schreibt, aber in das über Jahrzehnte ausdifferenzierte Universum der kalifornischen Kleinstadt Rocky Beach und das Detektivtrio „Die drei ???“ findet sich der Autor auf eine berauschende Weise hinein. Seine Schilderung der Ereignisse 30 Jahre nach dem Ende der gemeinsamen Ermittlungen fühlt sich schlüssig an, man ist sofort Teil der Szenerie, die zudem auf sachkundlichen Kenntnissen fußt, als habe Eschbach nie etwas Anderes gemacht, als für die Drei Fragezeichen zu schreiben. Und das auch noch bis ins Detail auf der Höhe der Zeit sowie nahezu frei von Anbiederung. „Die Auferstehung“ ist da, wo die Hauptserie eigentlich hingehört.
Wenn drei superenge Freunde 30 Jahre lang nicht miteinander reden, muss die Ursache dafür eine Katastrophe gewesen sein. So eine erdenkt sich Eschbach: Justus und Peter verlieben sich in die selbe Frau, die sich ihrerseits in die beiden. Doch die Jungs ringen ihr eine Entscheidung ab, die sie zugunsten von Peter fällt. Als die Frau nun vor der Hochzeit Justus bittet, mit ihr das Brautgeschenk abzuholen, gerät sein Pickup auf der Rückfahrt in einen Unfall und die Frau stirbt. Was weitreichende Folgen hat: Peter wirft Justus Dinge vor, der löst das Detektivtrio auf und verzichtet fortan darauf, sich selbst ans Steuer zu setzen. Also: Der Grund für das Ende der drei Fragezeichen ist definitiv schwerwiegend. Mindestens so etwas musste Eschbach einfach generieren, um die Funkstille zu rechtfertigen; es mag abgedroschen sein, aber es erfüllt seinen Dienst. Und ist ja auch gar nicht der Kern der Geschichte.
Die beginnt damit, dass eine totgeglaubte Frau sieben Jahre nach ihrem Verschwinden aus dem Brasilianischen Urwald zurückkehrt. Da geht Eschbach geschickt vor, wie es ihm gelingt, alle drei Fragezeichen in die Geschehnisse einzubinden, ohne dass sie als Trio in Erscheinung treten müssen. Denn: Bei dieser Frau handelt es sich um die Enkelin ihres verstorbenen Mentors Albert Hitfield, der in der Serie nach dem Tod von Alfred Hitchcock dessen Rolle übernahm; andere Namen mit den Initialen A.H. fallen einem ja gottlob nicht ein. Jedenfalls bekommt jeder der drei nun einen individuellen Zugang zu der Angelegenheit: Justus, weil ihn eine Tante der Auferstandenen damit beauftragt, aus haarsträubenden Gründen ihre Identität zu überprüfen, denn sie erinnert sich, dass der Leiter des Gebrauchtwagencenters da einige detektivische Erfahrung hat, und Bob und Peter über ihre Jobs, Bob als Literaturagent und Peter als Google-Mitarbeiter. Alle drei wenden ihre persönlichen Ermittlungsstrategien an, ziehen ihre eigenen Rückschlüsse und kommen sich so naturgemäß in die Quere, wobei Bob als einziger ohnehin zu beiden anderen einen lockeren Kontakt hat. Und damit jeder seinen Job vollständig ausüben kann, ist der Kontakt zu den anderen zwecks Erkenntnisaustausches unabdingbar – irgendwann sogar über Katastrophen hinweg.
Seine Idee von erwachsenen Juniordetektiven geht Eschbach anders an als Hanna Wenzel und Christopher Tauber mit ihrer Graphic Novel „Rocky Beach – Eine Interpretation“, mit anderen Jobs und Familienkonstellationen, obschon die Grundstimmung vergleichbar düster ist. Drogen spielen hier jedenfalls keine Rolle, dafür Action, Mord und Folter, was in der Jugendserie zumeist maximal rückwirkend Thema ist. Diese Jugendserie überdies muss Eschbach inhaliert haben, weil er ihren Geist – und die Stadt Rocky Beach! – kennt und auf ihn Bezug nimmt, ihn aber in eine gereifte Geschichte einbettet und damit „Die drei ???“ endlich so darstellt, wie man sie sich – insbesondere als Hörspiel-Fan mit den gereiften Stimmen im Ohr – seit 25, 30 Jahren eigentlich auch vorstellt, aber nicht bekommt. Natürlich ist „Die Auferstehung“ erstmal ein Erwachsenen-Thriller, natürlich ermitteln hier drei vom Leben ernüchterte Mittfünfziger, das ist alles nicht neu, aber der Kontext macht es so besonders, dass es nämlich auf etwas Etabliertem basiert, auf etwas Definiertem, das bei Millionen von Gefolgsleuten mit konkreten Bildern versiegelt ist, mit denen der Autor geschickt jongliert und ihnen auch in dieser neuen Gemengelage ihre Gültigkeit zugesteht.
Dabei verfährt Eschbach weitestgehend ohne die Brechstange, indem er Spuren legt, Erinnerungen aufkommen lässt, auf Begebenheiten eingeht, die man aus den alten Fällen kennt. Damit geht er nachvollziehbar um, schließlich muss man sich als Bestandteil des Detektivtrios in der neuen Situation mit Dingen aus seiner Vergangenheit auseinandersetzen, und da kommen eben Momente hoch, die Vergleiche zu gemachten Erfahrungen erfordern. Ganz abgesehen von sonstigen Protagonisten, die sich ihrerseits an die Detektei erinnern. Brechstangig wird es, sobald Standards wie „spezialgelagerter Sonderfall“ oder der Kirschkuchen fallen oder Skinny Norris auftritt, aber das nimmt man dann einfach hin. Wenn Justus hingegen Peter nach einigen hundert Seiten reflexartig mit „Zweiter“ anspricht und damit den eingeläuteten Frieden am Horizont aufschimmern lässt, muss man schon ein, zwei Tränchen wegdrücken. Gleichzeitig hätte es ausgereicht, es bei der Andeutung des Schimmers zu belassen; der Schluss ist etwas rührselig, wie bei „Der Herr der Ringe“, der Schwur der Gemeinschaft, und es gibt wieder neue Visitenkarten, aber das kann sich Eschbach auch bei „Die 3 Senioren“ abgeguckt haben, da gibt’s die auch zu jedem Finale.
Mit seinem fluffigen Schreibstil gelingt es Eschbach, die Leserschaft sofort nach Kalifornien zu saugen und bei der Stange zu halten. So richtig hard boiled ist das Buch trotz Szenen mit Mord, Blut und Kriminalität in Brasilianischen Favelas nicht, eine schriftstellerische Verwandtschaft zur Hauptserie lässt sich deutlich wahrnehmen, und doch trägt „Die Auferstehung“ weit erwachsenere Züge. Eschbach denkt Rocky Beach sinnhaft weiter, inklusive Technik und gesellschaftlicher Phänomene, die er quasi kritisch installiert, indem er die Figuren dazu Positionen nehmen lässt. Indes baut er auch kleine Merkwürdigkeiten ein, Abweichungen von seinem Haupt-Stil, die etwas deplatziert wirken, etwa an einer einzigen Stelle den inneren Monolog einer Figur, der zudem eher bedeutungslos ist, sowie später weitere Gedankenabbilder, während das Buch ansonsten weniger direkt ins Innere der Personen guckt. Zudem lassen sich vereinzelte Redundanzen ausmachen, die die Handlung unnötig strecken. Aber das sind Marginalien.
So möchte man sich als selbst erwachsen gewordener Fan in Rocky Beach bewegen, unter latent desillusionierten, aber engagierten Männern mit Vergangenheit, Charakterstärke und dem Hang zur Wahrheitsfindung. Und mit einem Blick nach vorn, der es ermöglicht, auf „Die Auferstehung“ weitere Episoden folgen zu lassen. Der erste Gedanke, dass es um die drei Detektive längst viel zu viel Gewese gibt, legt sich, sobald man sich kurz vor Augen hält, wie viel Freude man an diesem Buch hatte und wie wenig an den zurückliegenden 100 Folgen der Hauptserie. Auch andere Serien-Nebenarme sind von höherer Qualität, etwa die „Rocky Beach Crimes“ oder die Graphic Novels. Also bitte: Sollte die Serie auf diesem Niveau weitergehen, so alle paar Monate mal mit einem Buch, könnte das vielversprechend sein. Oder man macht es wie bei „Spirou“ und lässt reihum Autoren eine vom Hauptstrang losgelöste Episode verfassen, aber da könnte es zu ähnlichen Ausfällen kommen wie bei den Hörbuch-Lesungen, denn nicht jeder Promi ist dazu geeignet. Mit Eschbach tat man einen guten Griff. Nur sollte man eine Hörspielumsetzung nicht von André Minninger vornehmen lassen; Ivar Leon Menger bewies mit der akustischen Variante seines Comics „Der dreiäugige Totenkopf“ bereits, dass er sich dafür besser eignet.