Von Matthias Bosenick (15.08.2025)
Neun Alben in kaum vier Jahren, diese Iapetus-Musiker sind echt mal produktiv, siehe Reichenhall. Anchor And Burden nun versinken dieses Mal im Meer, da passt die erste Hälfte des Bandnamens wieder thematisch. Warum hier Etiketten mit „Metal“ oder „Rock“ draufstehen, ist beim Hören von „Sunken Fleet“ indes fragwürdig: Jazz, Ambient und Improvisation kommen da eher in den Sinn, wenn das Quartett mit Rockinstrumenten eine Unterwasserwelt musikalisch abbildet. Man kann im Wortsinne abtauschen in dieser Stunde Musik.
Wiederholung ist ein markantes Element dieser fünf instrumentalen Tracks, und zwar eine, die akustische Bilder malt und über die stets intensiver werdende Einsatzdauer den Trancezustand vertieft. Wobei vertiefen ein bestimmendes Mittel dieses Albums ist, thematisch setzt es nämlich die beiden Vorgängeralben fort, auf denen die Band die Menschheit hat untergehen lassen. Nun betrachtet sie die Bescherung eben von unter Wasser aus, zwischen Naturwundern und Zivilisationsresten.
Der „Sunken Caravan“ setzt als erster Track gleich die Wiederholung ins Zentrum. Ein minimaler Fuzz-Bass und ein dezent rumpelndes Schlagzeug bilden die Grundstruktur, dazu erklingt eine Gitarre mit dubbigem Hall, die die Weite des Ozeans erfahrbar macht. Allmählich gerät die Band in Schwung, der Track steigert ich, abstraktere Sounds dringen in diese feuchte Welt ein, es wird psychedelisch-krautig, man ist längst in Trance verfallen. Das Abstrakte nimmt „Dagger Dances“ auf, mit einem dezent hingejazzten Schlagzeug und punktuell hinzugefügten obskuren Sounds, indes ohne Melodien. Ein halliges Gitarrenklimpern strömt herbei. Auch dieser Track steigert sich, gewinnt gar an Beklemmung, und die Gitarre bekommt eine Idee von Afrobeat-Frickelei. Der Track wird wilder, sogar unbequemer.
Dafür glitzert und blinkt es hallend und chaotisch in „Abandonned Vessel“, wie Sonnenstrahlen knapp unter der Wasseroberfläche. Sobald das Schlagzeug dazukommt, verfällt es in eine energische Wucht, die es zuvor in der Ausprägung noch nicht hatte. Auf einen Takt indes verzichtet es, ebenso die Gitarre, die dazu gniedelt und mit allen zusammen einen reißenden Strudel bildet. Das „Floating Wreckage“ beginnt mit einem unkoordinierten gelegentlichen Klimpern im submarinen Hallraum. Irgendein Instrument generiert dazu Sounds, die an Walgesänge erinnern. Dieses Mal dringt das Schlagzeug schnell und perkussiv ein und variiert seine Intensität, für einen kurzen Moment entwickelt es gar einen stattlichen Groove. Passend gesellt sich wellenförmig eine – kein Wortwitz – wavige Gitarre hinzu, die sich mit einer anderen Gitarre verwirbelt, die eher wie eine Harfe klingt.
Zuletzt beginnt „Pendulum“ mit einem halligen hellen Klimpern und einem gelegentlich klickernden Schlagzeug. Auch hier steigert sich die Intensität, das Schlagzeug bekommt einen härteren Anschlag, schräge Elemente dringen durch, eines klingt nach Raketen unter Wasser, die entstehenden Loops beschleunigen gemächlich und ein schöner Takt schwankt mit dem Durcheinanderklimpern. Zuletzt weiß man nicht, ob man wieder auftaucht oder unter Wasser verharrt, und sofern letzteres, ob man sich an die dortigen Lebensbedingungen angepasst hat oder in irgendeiner Form verschwindet.
Metal ist das hier beim besten Willen nicht, selbst von Rock lässt sich nicht sprechen. „Sunken Fleet“ ist ein akustisches Gemälde, das sich nicht an musikalische Konventionen hält, eine Soundmalerei, ein Hörspiel ohne Worte, eine Traumreise. Wenn man Genres benennen will, kommt Jazz noch mit am nächsten, Ambient, Avantgarde, Experiment, was man halt so aus der Taucherglocke zaubert, wenn man hilflos vor etwas sitzt, das sich der Schubladisierung entzieht. Dann kann man sich nur freuen, etwas so Besonderes entdeckt zu haben, und verzichtet eben auf Etiketten.
An „Sunken Fleet“ beteiligt waren Markus Reuter mit Gitarren und Soundscapes, Alexander Paul Dowerk mit Gitarren, Bernhard Wöstheinrich mit Keyboards und Elektronik sowie Asaf Sirkis mit Schlagzeug und Percussion, also kein Bass, obwohl es gelegentlich danach klingt. Dieses neunte Album der Band erscheint nur vier Jahre nach dem Debüt „Weigh Anchor“, bei dem noch Shawn Crowder am Schlagzeug saß.