Von Matthias Bosenick (15.09.2025)
Dieses Album beginnt mit einer E-Gitarre, und es unterlässt es auch nicht, diese im weiteren Verlauf zum Einsatz zu bringen, und zwar gar nicht mal so undominant, wie man es von einer Band erwarten würde, von der es heißt, dass sie vor rund 20 Jahren als Chiptune-Quartett startete. Anyway, von Chiptune ist nun auf „Anyway“ noch der Hintergrund geblieben, denn die New Yorker mit dem eindeutig googlebaren Namen Anamanaguchi kredenzen ein Dutzend Indierock-Preziosen, die zwischen noisy und eingängig einen feinen Neunziger-Geist freilassen.
Guided By Voices kommen dem Hörenden in den Sinn, sobald „Anyway“ läuft, denn die bekamen den Spagat ebenfalls hin, Rock und Melodie zu kombinieren, ohne zu gefällig zu sein und ohne auf Ecken zu verzichten. Die zwölf Songs auf „Anyway“ sind so vielseitig in sich selbst, dass diese Ecken umso deutlicher hervorragen, wenn in einem reduziert instrumentierten Strophenteil plötzlich eine Bratzgitarre den Frieden zerstreut etwa, wenn der Gesang durch Verzerrer drückt, wenn die Band Tempo aufnimmt und dem Punk’n’Roll nahekommt, wenn die Gitarren gniedeln wie im beschleunigten Progrock und wenn hinter allem kuriose Electro-Effekte liegen, die die 8-Bit-Anfänge der Band durchklingen lassen.
Das ganze Album steckt voller Energie, und Anamanaguchi wissen diese zu dosieren, denn sie drücken sie nicht komplett vom ersten bis zum letzten Ton aus den Lautsprechern heraus. Jeder Track hat seine Wellenform, wie oben bereits angedeutet, und überrascht mit verspielten Elementen, netten Bassläufen, funky Drumbeats, Weezer-Pop-Gesang, Electro-Klimpern, The-Cure-Flangereinsatz („Valley Of Silence“), und dann bratzt die Band dann doch wieder los und dreht den Energiepegel hoch. An mancher Stelle ist das Zugeständnis an den Pop ein wenig zu ausgeprägt, aber diese Stellen sind derartig manch, dass es den Gesamtgenuss dieses Kaleidoskops nicht trübt. Verrückt!
Seit 2004 existiert die Band, produzierte 2006 die EP „Power Supply“ und 2009 das Debüt „Dawn Metropolis“, beides bereits unter Einsatz von Nintendo-Spielkonsolen, was einen Softwarehersteller auf den Plan brachte, der die Band 2010 dafür verpflichtete, für die Videospieladaption der Comicverfilmung „Scott Pilgrim vs The World“ von Edgar Wright den Soundtrack zu erstellen, was der Band hohe Chartseinträge und mehr Aufmerksamkeit bescherte. „Anyway“ ist je nach Zählung das fünfte oder sechste Album der New Yorker; das letzte Album „[USA]“ erschien 2019, aber 2023 steuerten sie noch in Zusammenarbeit mit Joseph Trapanese einen Haufen Tracks zum Soundtrack zur Netflix-Serie „Scott Pilgrim Takes Off“ bei.
„Anamana“ ist Sanskrit und bedeutet „sich verneigen“, „geneigtmachen“ oder „gewinnen“, „guchi“ ist Japanisch für „Mund“ oder „Ein- und Ausgang“. So sagt es das Internet bei schneller Suche. Erstaunlicherweise listet die Info auf, dass alle vier Bandmitglieder Gesang beisteuern und sich ganz nach Art des Rock’n’Roll zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug teilen, aber von den Electronics ist gar keine Rede, dabei sind die in dem Gitarren-Indierock deutlich zu hören. Peter Berkman und Ary Warnaar nun spielen Gitarre, James DeVito Bass und Luke Silas Schlagzeug, und diese Besetzung besteht seit über 20 Jahren.