Von Matthias Bosenick (06.06.2016) / Auch veröffentlicht auf Kult-Tour Der Stadtblog
Wie aus einer Zufallsbekanntschaft die Tür zu einem neuen Universum wird, und das mit Blick auf das neue Album im doppelten Sinne: Barnim Schultze veröffentlichte unter seinem Ambient-Alias Akasha Project dank Crowdfunding ein Doppel-Album, auf dem er das Konzept seiner bisherigen Werke und der vorausgegangenen Liveshows vertieft; die „Kosmische Oktave“ sei hier als schnelles Stichwort genannt. Er errechnete aus den Frequenzen von sehr großen und sehr kleinen sich drehenden Dingen eine Tonhöhe und einen Takt und komponierte drumherum chillige Trancestücke. Für den Dancefloor ist das nicht geeignet, auch live erzeugt Schultze etwas mehr Dynamik – aber eine träumerische Entdeckungsreise ist das Album mindestens. Hier passiert mehr, als man zunächst wahrnimmt. Und hier gilt das Rock’n’Roll-Diktum: laut aufdrehen!
Für die erste CD „Outside“ bediente Schultze sich bei Himmelskörpern, für die B-Seite „Inside“ bei Molekülen. Beides, besonders, da es sich bei den meisten der Moleküle um Drogen handelt, lädt schon vom Namen her zur Reise ein, und musikalisch erfüllen sich diese Assoziationen. Zunächst eröffnen sich hauptsächlich akustische Flächen, also Keyboardteppiche, wie man diese früher nannte. Klassisches Chillout-, Ambient- und Meditations-New-Age-Zeug, könnte man meinen, wenn man nach diesem ersten Eindruck weghört. Doch dabei belässt es Schultze nicht, gottlob.
Sicherlich entdeckt man Vertrautes aus den vorgenannten Spektren auch in „Spheres“. Doch ist Schultze auch zu sehr Bühnenmensch und – nun – Musiker, um es bei der reinen (esoterischen) Wirksamkeit seiner Arbeiten zu belassen (und um klassische New-Age-Sounds zu kopieren). Er kreiert Melodien und Bassläufe, die entspannt umeinander rotieren, versetzt diese mit dezenten Beats und Percussionelementen und steigert die einzelnen Stücke in ihrem Verlauf behutsam. Radiotaugliche Popsongs werden daraus nicht, was zum einen an ihrer Länge liegt, zum anderen natürlich auch an der bescheidenen Auswahl der Radioprogramme.
„Spheres“ erfordert definitiv einiges an Aufmerksamkeit, und einen Schlüssel dazu nannte Schultze dem crowdfundenden Rezensenten, als er ihm das Album per Fahrrad persönlich vorbeibrachte: „Es ist mein erstes Album, das ich am liebsten laut höre.“ Ein guter Tipp. Gegen Ende der ersten CD zieht Schultze zudem das Tempo an, „Dawning – Uranus“ groovt ganz überraschend vor sich hin, und auch „Black Market – Delta-9 THC“ läutet die zweite CD kopfnickend ein. Eine negative oder gar bedrohliche Stimmung indes erzeugt Schultze auf dem ganzen Album nicht; und das verdrogteste Stück auf der zweiten CD ist gar keins, sondern „Heavy Metal – Gold“, wobei der Name irreführend ist, da man jene Musikrichtung nun gar nicht zu hören bekommt, sondern assoziative Soundexperimente.
Natürlich hört „Spheres“ bei der Musik nicht auf. Der „Kosmischen Oktave“ liegen latent esoterische Gedanken zugrunde, mit denen man sich nicht zwingend auseinandersetzen muss, wenn man Schultzes Musik genießen will. Für die, die dies doch wollen, liefert der Künstler gleich ein paar Erklärungen und erhoffte Wirkungen für die Songs mit. „The Duke – Jupiter“ etwa stimuliere kreative Kraft, „Shadow Man – Saturn“ verbessere die Konzentration. Für die Drogen- und Molekülseite lässt er die beabsichtigten Wirkungen weg, dafür mag er wohl gute Gründe haben. Das Album – und eigentlich Schultzes gesamtes musikalisches Konzept – steckt voller esoterischer, wissenschaftlicher und spiritueller Details und Hintergründe. Der Name Hans Cousto als Erfinder der „Kosmischen Oktave“ fällt hier ebenso wie schon 1998 auf Schultzes Debüt. Man kann also auch abseits der Musik tief abtauchen. Muss man aber nicht.
Spannend ist, dass Schultze sein Akasha Project schon seit rund 20 Jahren betreibt. Wirft man einen Blick ins Internet, findet man heraus, dass er einen großen Namen in der Trance- und Goa-Szene hat. Selbst auf der Love Parade und der Fusion trat er seinerzeit auf. Doch ist er davon längst abgerückt und weit filigraner geworden. Hat da jemand „cheesy“ gerufen? Unverschämt! Na, eine kleine Wahrheit steckt da wohl drin; live zumindest war die Musik des Akasha Projects zuletzt deutlich dynamischer und sogar noch detailreicher. Aber das ist doch gut: Dann hat man gute Gründe, sich das Album anzuhören, und ebensolche, sich Schultze live zu geben.