Von Matthias Bosenick (21.07.2014)
Rock’n’Roll! Weil Metal allein nicht glücklich macht, ist Deutschlands gefragtester Metal-Produzent und -Studiogitarrist Sascha Paeth nebenbei seit ein paar Jahren mit The Wirepushers aktiv. Jetzt liegt das Debütalbum vor, und das ist rauh, unzeitgemäß und mit dem nötigen Pfund Humor ausgestattet, und überall da, wo der durchblitzt, ist das Album auch am besten. Ein schöner Auftakt.
Die Sorte Rockmusik, die das Quartett macht, ist sozusagen meta-retro: The Wirepushers fischen nicht im 70er-Rock, sondern in 90er-Rock, und zwar in der Variante, die in den 70ern fischte. Das ist weitab von modern, auch weitab von der modernen Retro-Fassung, die sich direkt bei den 70ern bedient, und damit beinahe exotisch, wenn nicht womöglich futuristisch: The Wirepushers verweigern das Gängige, sie sind wahrhaftig unkommerziell, nicht-mainstream, indie.
Die Songs folgen ebenso wenig angesagten Vorgaben. Manchmal erinnern sie an D-A-D, manchmal an Tito & Tarantula. Es stecken Dreck und Blues in den Rocksongs, an mancher Stelle sogar der gute, alte Punkrock oder seine Inkarnation Pubrock, wenn nämlich ein leichter Folk-Einschlag von den Inseln mitschwingt. Dann haben manche Songs etwas Bierseliges, das wäre sozusagen die trunkene Fortsetzung des an sich Seligen, das in vielen der Songs lauert: Das Quartett hat so manches Mal den Schalk im Nacken und beugt sich dann dessen Knute. Das sind dann auch immer die Songs, die am besten ins Ohr gehen, Energie transportieren, Lebensfreude ausstrahlen, die catchy sind, zum Mitgrölen einladen.
Doch sind nicht alle Songs so. Ein kleiner Teil wirkt verhalten, als würde die Band unsicher um Erlaubnis bitten, ihre Ideen überhaupt vortragen zu dürfen. Dann wirken die Songs wie ein versierter Arbeitsnachweis, solide, technisch perfekt, gut strukturiert, auf hohem Niveau und auf den Punkt gespielt, aber mit mangelnder Empathie für den Empfänger. Dabei wissen wir ja, wenn wir die anderen Lieder hören, dass The Wirepushers Seele haben, Herz, Hirn, Bauch und Eier, dazu ein breites Grinsen. Das hatten sie sicherlich auch auf den Lippen, als sie den 13-minütigen „Stopgap Rap“ am Schluss des Albums einspielten: eine repetetive Sampleschleife untermalt ein gegniedeltes Göttersolo. Wenn das nicht anti ist.
Ein paar Zahlen, Daten, Fakten, zum Teil direkt von Sascha Paeth berichtet: Schlagzeuger Robert Hunecke ist wie Paeth Wolfsburger und nicht zum ersten Mal in einer Band mit dem Gitarristen. Bassist Arne Wiegand ist zwischen Wacken und Carmen Nebel bei Santiano unterwegs und neuerdings auch bei den ESC-Teilnehmern Elaiza. Paul Kettley singt, und er ist auch ein Grund, weshalb man in dessen Heimat England auf The Wirepushers bereits wohlwollend aufmerksam wurde. Das brillante Cover mit dem zum Titel passenden eingeschnappten Roboter stammt von einem Star-Designer, der zum Zeitpunkt des Erstellens fünf und heute elf Jahre zählt. Und Sachsa Paeth? Steht demnächst mit Avantasia in Wacken auf der Bühne. Als Haupt-Act. Zum 25. Jubiläum. Des Festivals, nicht der Band. Und weil der Mann bei alledem so angenehm bescheiden ist und eine beneidenswerte Zufriedenheit ausstrahlt, macht es noch umso mehr Spaß, sich seine Musik anzuhören. Also: The Wirepushers, nochmal!