Von Matthias Bosenick (01.07.2014)
Dieser Mann kann einfach mal keine Freizeit haben. Frank Schäfer befasst sich nicht nur intensivst mit zeitfressenden Kulturphänomenen, er verfasst auch noch Abhandlungen darüber, und das in einer Schlagzahl, die andere nicht mal beim Nachlesen erreichen. Neu im Regal steht sein „Comic(ver)führer“, der keine lexikalische Aufreihung ist, auch kein reiner historischer Abriss, sondern diese beiden Elemente um Ansichten, Einsichten und Gespräche ergänzt. Damit ist das Buch ausgesprochen abwechslungsreich und macht – nicht zuletzt wegen Schäfers einzigartigen Sprachstils – kaum weniger viel Spaß zu lesen als ein Comic.
Das Lexikalische unterbindet Schäfer vor allem damit, dass er seine persönlichen Ansichten nicht hinterm Berg hält. Das findet sich in seinen Meinungen ebenso wieder wie in seinen Auslassungen. Dennoch startet er das Buch mit einem historischen Abriss und eine kulturellen und literarischen Einordnung. Das ist ebenso aufschlussreich wie verständnisfördernd. Hernach betrachtet er einzelne Werke, Autoren oder Figuren aus persönlicher Sicht, diskutiert etwa, wie schlüssig Sam Raimi in seiner Spiderman-Verfilmung umsetzte, wie Peter Parker sein Spinnennetz ejakuliert, handelt die Entwicklung von Robert Crumb, den Zeichenstil von Frank Miller, die Schizophrenie von Moebius und die visionäre visuelle Kunst von Craig Thompson ab, untersucht Charles M. Schultz, Wilhelm Busch und George Herriman, erzählt von Treffen mit Arne Bellstorf, Mawil und Reinhard Kleist und betrachtet kritisch, wie bestimmte Inhalte im Comic erzählt werden, von Adoleszenz über Krieg und Konsum bis zum Alltag. Dazwischen platziert Schäfer thematisch passende Rezensionen, die er bereits in anderen Publikationen unterbrachte.
Dabei ist Schäfer ebenso nostalgischer Verehrer und Fan wie analytischer Rezipient. Diese Vielschichtigkeit und Tiefe machen dieses Buch lesenswert, ganz abgesehen davon, dass Schäfer – wie immer – sprachlich in Hoch- und Nicht-Kultur zu Hause ist und beide Welten überzeugend mischt. Der überraschende Effekt an diesem Buch ist, dass man gar nicht unbedingt so sehr die besprochenen Comics lesen will, sondern noch mehr Texte von Schäfer. Aber davon gibt es ja noch einige, bei dem Pensum.