Von Matthias Bosenick (16.11.2025)
In ihrem Dokumentarfilm „Stille Beobachter“ kombiniert die bulgarische Regisseurin Eliza Petkova (Елиза Петкова) zwei Themen: Die Visualisierung tierischer Sinne und den Zustand eines aus der Zeit gefallenen bulgarischen Dorfes. Was eindrucksvoll mit wunderbar komponierten Bildern und sogar mit Humor beginnt, verliert sich über Zeit in Wiederholung, Tristesse und Depressivität. Die halbe Spielzeit und ein konzentrierterer Schwerpunkt hätten dem Film gutgetan.
„Die Katze ist über den Toten gelaufen, jetzt ist sie ein Vampir!“ Mit diesem Schreckensruf beginnt der Film und steckt gleich beide Themen in eins ab: Tiere, die sich bei der Verrichtung ihrer ureigenen Aktivitäten um nix scheren, und Menschen, die zwischen Glaube und Aberglaube ihre schmale Welt betrachten. Die Menschen treten dabei zunächst auf wie in den alten „Tom & Jerry“-Cartoons, nämlich nahezu unkenntlich, nur die Beine, man ahnt, dass es sich um alte Frauen handelt, die dem Leben begegnen. Die Tiere hingegen haben ihre eigene Wahrnehmung, und in der spiegelt sich die Welt der Menschen.
Da steckt das Schöne an diesem Film: Los geht es mit der Katze, ihr folgt der Hund. Gehör, Geruchs- und Sehsinn sind bei beiden am besten ausgeprägt, und diese zu visualisieren, gelingt Petkova fantastisch. Man sieht die Ohren, Nasen, Augen dieser Tiere in Großaufnahme, man sieht die Tiere ausschnitthaft auf Einflüsse reagieren, und man sieht diese Einflüsse: Kleine Ameisen, im Wind raschelnde Vorhänge, eine Schnecke. Fasziniert folgt man den Tieren, die diese Welt in der Welt der Menschen auf eine andere Art wahrnehmen. Die Menschen hingegen sehen ihre eigenen Realitäten: Die Katze ist ein böser Vampir, der in fremden Häusern poltert, sagen die Nachbarn, und die Besitzerin sagt, es sei ihr verstorbener Gatte Ivan, weswegen sie sie nicht verjagen wolle. Halleluja.
Man ist der Katze und dem Hund unmittelbar nahe, man ist bei ihnen, und dann fügt Petkova dem Reigen weitere Protagonisten hinzu. Pferd und Esel rücken den Betrachtenden ähnlich nahe, doch haben beide bei den Menschen andere Rollen, nämlich als Nutztiere, und so drängen die Wahrnehmungen dieser Tiere hinter die Probleme, die die Menschen mit deren Verwendung haben. Noch distanzierter gerät dies mit Schaf und Ziege, die in einer Herde untergehen und bei denen es darum geht, ihre Eigentümer zu ernähren. Das ist legitim, schafft aber kaum Zuneigung – ganz so, wie es in der Welt der Karnivoren mit der Fressbeute eben zugeht.
Diese Sequenzen ab Esel und Pferd nun dehnt Petkova in einer Weise aus und bildet sie in einer Willkürlichkeit ab, dass man den Faden zu verlieren beginnt. Zumal aus den wundervoll bei Wim Wenders abgeguckt komponierten Bildern längst verwaschene Totale geworden sind, die die vernebelte Tristesse des bulgarischen Landlebens mit all ihren lebensfeindlichen Ruinen zu einer verfilmten Depression machten. Das Fremdenverkehrsamt dürfte seine Probleme mit dieser Darstellung haben.
Dabei sind die Bilder zunächst ja wahrhaftig wundervoll. Gedreht im Format 4:3, zeigt Petkova oftmals bis zur Hälfte unscharfe Hinter- und Vordergründe und versteckt das Sujet scharf darin, es ist ein Fest, diese Kompositionen zu betrachten. Begleitet von Geräuschen, gelegentlich von einer abstrakten, kargen, improvisierten, freien Musik auf Percussion oder Streichinstrumenten, die den ruinösen Gebäuden akustisch entsprechen. Interessant ist auch, dass erst gegen Ende so etwas wie die moderne Einzug hält: Man hört keine Autos, Fernseher, Radios oder gar Smartphones, bis auf die wenigen intakten Gebäude, die Zäune und die tropfenden Wasserleitungen ist kaum Moderne vorhanden. Jugend ebenso wenig, Männer auch kaum: Einer hütet die Schafe, ein anderer ist ein Arschloch und hat es auf den Hund abgesehen. Komm, heil’ger Geist.
Noch etwas, was bereits bei „Mikrokosmos“ störte: Die Nachvertonung von Ameisen oder Schnecken ist unnatürlich, auch in Großaufnahme machen sie keine solchen Geräusche. Umso gelungener ist etwa die Sequenz, als die Katze hörbar ein Glas umwirft, man aber lediglich im Anschluss daran das tropfende Gefäß auf dem Tisch liegen sieht, also weder die Situation noch die Verursacherin. Insgesamt sind die Passagen mit der Katze am eindrucksvollsten gelungen, darauf und auf den liebevollen Humor der orthodoxen Gläubigen beschränkt, hätte der Film vermutlich eine bessere Wirkung gehabt.
