Von Matthias Bosenick (11.11.12025)
Die Entstehungsgeschichte dieser „Die Vorstufe“-EP trägt viel zum Genuss derselben bei, denn es ist mehr als nur ein Solo-Projekt des Kaltmiete-Sängers: Heinrich, hier abgekürzt als HvK, nahm sich die Schlagzeugspuren von vier Songs, die eigentlich für eine andere Band gedacht waren (und dort bereits existieren), und gestaltete auf ihnen eigene Songs. So kommen vier Lieder heraus, die zwar die Gene von Kaltmiete tragen, sie aber um andere Aspekte aus Indierock und Post-Hardcore erweitern. „Die Vorstufe“ hat allen Anlass, eigenständig zu sein.
Slowtronic heißt das Projekt, das Schlagzeuger Arvid Kraft mit Jürgen Neubert ins Leben rief, und „Round Ones“ das 2023 erschienene Album, auf dem die vier Songs zu hören sind, deren Drum-Tracks Heinrich von Kaltmiete zur Grundlage für seine vier eigenen Stücke machte. Es erstaunt, wie viel klassische Kaltmiete in diesen Slowtronic-Songs steckt – Heinrich kann da seine Haut nicht abstreifen, und das ist gut so. Und zwar vorrangig, was die Gesangsmelodien betrifft: Bandwurmsätze und Assoziationen zwängt er in Melodien, wie es nur ein HvK hinbekommt. So kennt man es seit Ende der Neunziger, als Kaltmiete mit „300,- DM“ den Indierock und den Hardcore mit deutschen Texten versahen und in eine eigene, schlangenförmige Melodieführung zwangen.
Diese Melodien behält Heinrich hier bei, die Härte indes fährt er zurück, obschon man im Quasi-Titeltrack „Vorstufe zum Paradies“ Erinnerungen an den Post-Hardcore von Hüsker Dü oder, sagen wir, dem reformierten Seitenarm Sugar geweckt bekommt. Das hier ist auf jeden Fall Gitarrenmusik, und dabei bleibt es. Heinrich schafft es sogar, im letzten Song „Veränderung frisst Verständigung“ den Raum zu finden, amtlich gniedeln zu können, als wären die Drumtracks eigens für ihn erstellt worden. Zumal Heinrich diese einmal mehr mit klar artikulierten distanziert-herablassenden Betrachtungen versieht, an denen man ordentlich Freude haben kann, so aus dem Leben gegriffen und punktgenau landen sie. Hört man sich danach „Round One“ an, hat man echt Schwierigkeiten, die HvK-Songs darin wiederzufinden, so weit unterscheiden sie sich, obschon auch diese ebenfalls grob im Indierock zu verorten sind.
Die Band Kaltmiete schaffte es in beinahe 30 Jahren erst zu zwei Alben: „300,- DM“ 1997 und „Auf Wiedervorlage“ 2015. So eine Solo-EP vom Sänger und Gitarristen bedeutet hier nun mitnichten den Schwanengesang: Kaltmiete planen ein neues Album, lässt Heinrich wissen, mit dem Zusatz, dass das noch „ein bisschen dauern“ könne. Zwischen dem ersten und dem zweiten Album liegen 18 Jahre, die sind seit dem zweiten noch nicht um, also keine Eile! Noch ein wichtiger Aspekt zur EP: Heinrich und Slowtronic zeigten sich die fertigen Songs erst gegenseitig, als sie jeweils fertig waren, da guckte also keiner beim anderen ab und entwarf mutwillig gegen – das sind mithin alles Eingenkreationen auf Basis der Drumtracks.
