Von Matthias Bosenick (06.10.2025)
Vermutlich muss Emiglino Cicala aus Rom seinen alten Instrumentenfuhrpark nicht mal entstauben, um solche Retromusik machen zu können, wie er es als Cobol Pongide auf „Kosmodrom“ unternimmt – schließlich ist dies bereits sein offiziell viertes Album unter diesem Namen. Satte 17 Songs zwischen Retrofuturismus, Italo-Pop und SciFi-Absurdität mit einer Menge Pop-Appeal gibt’s hier, und es klingt deutlich ernsthafter, als es die Konstellation vermuten lässt.
Das ist wohl die größte Kunst an diesem Album: Die Anlage zur Albernheit liegt dem Konzept inne, doch umgeht Cicala diese Falle und formt aus den selbstgewählten Mitteln, die einem als Hörendem allesamt durchaus vertraut sind, eine Musik, mit der man mit der in den zurückliegenden 40 Jahren längst erweiterten Technik heutzutage eher Humormusik erwarten würde, Songs, denen man deutlich anhört, dass er etwas Ernstzunehmendes vermitteln möchte. Sein Tonfall vermittelt dies, er sprechsingt ohne jeden Schenkelklopfer-Appell, man hört kein Grinsen mit, das macht es seriös.
Dabei hätte es auch schiefgehen können. Denn Cicala fährt historische Electro-Musikerzeuger auf, die die Generation X aus ihrer Kindheit aus dem Radio kennt, als der Synthiepop das Laufen lernte und sich bei allem Nicht-Analogen bediente, was Geräusche erzeugen konnte. Videospiele, 8-Bit-Sounds, Commodore 64, Kinderkeyboards, frühe Drumcomputer setzt er ein und straft damit die Gitarre Lügen, die er auf dem Cover des Albums umzuhängen hat. Mit seinen Mitteln erzeugt er Groove, Melodien, Popsongs im wahrhaftigen Sinne, garniert sie mit den absurdesten Effekten, die er seiner Gerätschaft entreißen kann, und thematisiert musikalisch wie inhaltlich einen Futurismus, den man für vintage halten könnte, der jedoch zeitgemäße Betrachtungen berücksichtigt.
Man kann also von Synthiepop sprechen, allerdings von einer zickigeren Variante, der Italo-Pop leuchtet hier stets durch, gottlob, und Minimal Electro oder Chiptune fallen als Schlagworte ebenfalls. An die „Woodpeckers From Space“ von den Video Kids mag man denken, oder auch an die ersten Alben von The Faint, die in den Neunzigern auf „Media“ und „Blank-Wave Arcade“ ähnliche Sounds zu ähnlich ernsthafter Musik formten. In der Herangehensweise lässt sich auch Man … Or Astro-Man? heranziehen, die erschienen ja auch immer in pseudo-futuristischen Kostümen und mit ähnlichen Inhalten, machten aber Surfpunk.
Einen kleinen Nachteil hat dieses Album indes: In der Menge der Songs gehen einem die Sounds irgendwann leicht auf die Nerven. Vorzeitig abbrechen ist allerdings auch keine Option, denn dann entgeht einem einiges, Cicala hat genug Ideen, um sie in 17 Tracks unterzubringen.
2009 erschien mit „Musica per anziani cosmonauti“ das erste Album von Cobol Pongide. „Kosmodrom“ soll das vierte sein, aber da steigt man durch die Zählung nicht durch, es könnte auch das siebte sein, wenn man die Sachen mitrechnet, die auf USB-Stick oder als CD-Rom erschienen. Zudem behauptet Cicale, dass ein Roboter Teil dieser Band sei, was natürlich bestens ins Bild passt.