Fly Cat Fly – Sketches From The Past – Fly Cat Fly 2025

Von Matthias Bosenick (30.09.2025)

„Sketches From The Past“ ist quasi die Leberwurst-Rumkugel der Musiker-Innung: Fly Cat Fly fegten Studio-Reste aus den zurückliegenden 13 Jahren zusammen und formten ein schmackhaftes Album daraus. Hört man sich die elf Songs an, wird klar: Dafür würden andere Bands Straftaten begehen – und hier sind es lediglich Reste. Eine melancholisch-emotionale Reise vom Anfang (zu dritt mit Schlagzeuger) bis heute (mit Drum-Loops als Duo) durch die bis dato unerzählte Indierock-Historie der beiden Braunschweiger, die mitnichten den Anschein einer Compilation erweckt.

Am Anfang galten Fly Cat Fly als Trio aus Berlin, am Anfang tourte dieses Trio sogar durch England. „Somerset“, der Opener dieser Sammlung, erinnert melancholisch und episch rockend an diese Zeit. Der echte Schlagzeuger wirbelt agil durch die Songs, wie man es noch vom vor zehn Jahren veröffentlichten Debütalbum „Pocketful Of Pain“ kennt. Dessen Titel ist kurioserweise abkürzbar als „POP“, dabei sind Fly Cat Fly das eher nicht, weil viel zu kompromisslos. Hier nun folgt mit „A Pocketful Of Pain“ der Quasi-Titeltrack jenes Debüts, der es auf selbiges nicht schaffte: Nervös entwickelt er sich im Refrain zum Noiserock, der mit der von Cord Bühring auf Deutsch gesungenen Zeile „egal, egal, was du siehst“ eine Ahnung davon aufkommen lässt, wie Tocotronic klingen könnten, wenn sie cool wären. Solche schön mostenden Ausbrüche wie Fly Cat Fly hier kriegen die Hamburger jedenfalls nicht hin.

Im Dreivierteltakt bedienen Fly Cat Fly mit „The Next Level“ die fantastische Gaußkurve aus behutsam, noisy und wieder behutsam, bevor sie mit „Groß sein“ abermals zu Tocotronic und Artgenossen zurückkehren. „Good-bye nach Hamburg, Good-bye nach Berlin“, heißt es, wie eine Antwort auf die deutschsprachigen Indierocker aus jenen Städten, denen Fly Cat Fly entgegensetzen: „Wir werden groß sein, ohne in die Großstadt zu ziehen.“ Hier ist endlich auch die Stimme von Bassistin Sina Lempke ausgeprägter zu hören, wenn sie den fuzzy aufgerauhten Refrain mitträgt. Die Sprache übrigens steht der Band gut, die üblicherweise auf Englisch singt, was ihr selbstredend ebenso gut steht.

Noch mehr Zweistimmigkeit bietet der Akustikgitarrenblues „Breath & Breather“, in dem das Instrument hinter die Stimmen zurücktritt und lediglich punktierte Akkorde anschlägt. Es scheint, als ginge jener Song direkt in „I Like Pancakes“ über, das sich indes als repetitiv gesungenes Mantra entpuppt, in das das Schlagzeug langsam hineinrollt und das ganz kurz vor Schluss erst im Sound einer Band erscheint. Auch „Irgendwas mit Bird“ scheint direkt aus jenem Song hervorzugehen; der Song ist ein langsamer Walzer mit schönen melodischen Elementen.

Für „Last Night I Killed“ ziehen Fly Cat Fly das Tempo an, senken aber das Level an Melancholie nicht ab. Mit Shaker und Fuzz verstärken sie den Refrain dieses energetischen Indierocks. Zurück zum Ruhigeren kehren sie mit „It Could Have Been Worse“, unter dem ein dezenter Fuzz liegt. Ein schöner prägnanter Bass und harmonische Effekte betonen die formidable Fähigkeit der Band, ihre Songs im Verlauf wachsen und sich verändern zu lassen.

Erst in „Plastic Waves“ klingt das Schlagzeug explizit nicht nach einem organischen, sondern nach den geloopten Patterns der späteren Alben. Der Drumsound ist kraftvoll und leicht übersteuert und vermittelt einen latenten Industrial-Anschein, trotz der anhaltenden Langsamkeit. Im Verlaufe wachsen auch hier die weiteren Instrumente hinein und mit ihnen die melodische Intensität. Der Schluss dieses Albums gehört allein Sina Lempke, die „Tired Of Waiting“ mit einer kunstvollen, agilen Melodie mit sich selbst im Chor und begleitet lediglich von der E-Gitarre vorträgt.

Will man nach Analogien suchen, so findet man sie ansatzweise im klassischen Indierock der Neunziger, etwa bei The Breeders, The Wedding Present oder Dinosaur Jr, aber tatsächlich brauchen Fly Cat Fly keine Analogien, sie steckten in 13 Jahren ihr eigenes Feld ab. Da die Band nicht preisgibt, wie es sich mit der Chronologie der elf Songs auf diesem fünften Album verhält, kann man lediglich am Verhalten der Drums erahnen, was mit und was ohne Schlagzeuger entstand. Kurioserweise ergeben all diese vermeintlichen Reste ein schlüssiges Gesamtbild, das Album hat eine stringente Dramaturgie, hier passt alles zusammen und deckt zudem die breite Soundpalette von Fly Cat Fly ab, von ruhig bis noisy und trotz aller Energie stets melancholisch.