Helloween – Giants & Monsters – Reigning Phoenix Music 2025

Von Guido Dörheide (04.09.2025)

Die eisernen Jungfrauen haben drei Gitarristen – na und? Die Kürbisköpfe haben drei Sänger! Und schon ist mein Vorsatz, einen Artikel über Helloween zu schreiben, ohne gelbes Gurkengemüse zu erwähnen, beim Teufel.

Also, wir fassen zusammen: Helloween aus Hamburg, gegründet von Kai Hansen und ein paar Freunden wie zum Beispiel den Noch-immer-Bassisten und -Gitarristen Markus Grosskopf und Gitarrist Michael Weikath sowie Schlagzeuger Ingo Schwichtenberg.

Das war jetzt kein vollständiger Satz, und so wurde Hansen nach dem ersten Album „Walls Of Jericho“ klar, dass Gitarrespielen und Singen auf Dauer kein Zustand sein könne, also kam kurz darauf Michael Kiske als Sänger zur Band hinzu. Mit „Keeper Of The Seven Keys Part 1“ und „Keeper Of The Seven Keys Part 2“ eroberte sich die Band nicht nur einen Platz im Herzen der deutschen Speed-Metal-Fans, sondern auch im internationalen Metal-Olymp, und hob das Genre des Power-Metal aus der Taufe. Und damit war es mit Helloween auch schon fast wieder vorbei, denn mit „Pink Bubbles Go Ape“ (1991 – wer bitte nennt sein Album so??) und „Chameleon“ (1993) – beide weiterhin mit dem großartigen Michael Kiske am Gesang, aber ohne den nicht minder großartigen und im Nachhinein weitaus wichtigeren Kai Hansen – traten Helloween alles in den Staub, was die Größe der Band bis dato ausmachte.

Schlagzeuger Schwichtenberg schied 1993 durch Freitod aus dem Leben, Hansen hatte Gamma Ray gegründet, Kiske strebte eine Solokarriere an, Helloween machten weiter: Weikath und Grosskopf als letzte verbliebene Gründungsmitglieder scharten begabte Musiker wie Uli Kusch (Schlagzeug) und Roland Grapow (Gitarre) um sich und konnten vor allem Andi Deris als neuen Sänger gewinnen. Vorher wirkte der bei Pink Cream 69 (ein Bandname, der noch bekloppter klingt als Feine Sahne Fischfilet) und bei Helloween hat er sich dann schnell als Songkomponist verdient gemacht und somit die auseinanderbrechende Band in die Neuzeit hinüberzuretten vermocht. Grapow und Kusch sind seit 2001 nicht mehr mit von der Partie, aber mit Sascha Gerstner (Gitarre seit 2002) und Daniel Loeble (Schlagzeug seit 2005) konnte ein stabiles Line-up gewonnen werden, und seit 2016 sind auch die verdienten Helden des Kürbisses, Kai Hansen (Gitarre und Gesang) sowie Michael Kiske (Gesang) wieder mit von der Partie. Daher also die drei Sänger, obwohl Deris den Posten ebenfalls adäquat besetzt hatte. Ach ja, und neben Weikath und Gerstner an den Gitarren ist Hansen auch mal eben nebenbei der dritte Axtschwinger bei den Kürbisköpfen – hihi, nehmt das, Iron Maiden! Und ja, ist Absicht, sowohl Axtschwinger als auch Kürbisköpfe. Es lädt einfach ein, aber die Band ist so gut und ihr Songmaterial so über jeden Zweifel erhaben, dass es, denke ich mal, auch OK ist.

Also nun mal Futter bei die Fische, wie mein Freund und Kollege M. immer sagt: Helloween haben ein neues Album draußen, was kann es, was taugt es?

Vier Jahre ist immerhin auch schon das starke „Helloween“ auch immerhin schon wieder her – mehr als ein Vierteldutzend an Jahren. Im vergangenen Jahr gab es das grundsolide und wirklich gute „Live At Budokan“, aber nun wird es Zeit für neue Songs der hanseatischen Kürbisköpfe (ehrlich, ich habe recherchiert: Es scheint apselut OK, den Terminus „Kürbisköpfe“ innerhalb einer einzigen Rezension mehrfach zu bemühen, solange es um Helloween, die Kürbisköpfe aus der Freien und Hansestadt Hamburg – Heimat der Hamburger Kürbisköpfe von Helloween –, geht).

Alsdann, gehen wir es an:

Das Album ist lang – gut fünfzig Minuten, verteilt auf 10 Songs. Schon der Opener „Giants On The Run“ ist knapp sechseinhalb Minuten lang, und er eröffnet das Album sehr gut. Kai Hansen und Andi Deris teilen sich den Gesang, der Song fängt ruhig und mit tollem Bass an und wird dann schneller, Loeble macht seine Arbeit hinter der Schießbude wirklich gut und über Grosskopf am Tieftöner brauchen wir, glaube ich, kein Wort verlieren. Zu. Die Tempi wechseln sich, das Schlagzeug rattert schnell, die Gesangspartien wechseln virtuos zwischen den beiden Akteuren – jahaa, so muss Helloween, so wollen wir Helloween und so sichern sich Helloween ihren Alleinstellungsstatus innerhalb der weltweiten Metalwelt.

„Savior Of The World“ besticht dann durch ein schöön schnell hingebrettertes Schlagzeug und den Gesang von Michael Kiske – der sich immer noch in unglaubliche Höhen hinaufzuschwingen in der Lage ist, ohne dabei operettenhaft zu nerven – neben Bruce Dickinson einer der ganz tollen Metalsänger. Dazu gibt es wundervoll melodische Gitarrensoli, Loeble hält das Tempo über den ganzen Song hinweg – bereits jetzt hat das Album schon gewonnen.

„A Little Is A Little Too Much“ besticht dann durch schöne Keyboardmelodien, viel Melodie und poppige Chöre. So klingt es, wenn Dr. Stein mit dem Wahnsinn spielt, dieser Song gehört klar in die Charts.

„We Can Be Gods“ fängt mit dunklem Synth und krachigem Riff saustark an und geht ebenso weiter: Eine zweite Gitarre kommt hinzu, der mehrstimmige Gesang lädt zum Schunkeln ein, während das Schlagzeug eher „headbangen“ sagt. Auch hier wieder kurze, knackige Gitarrensoli, die ohne auf die Kacke zu hauen zeigen, dass wir es hier mit einer Band von Relevanz und Lässigkeit zu tun haben.

„Into The Sun“ ist eine Ballade, auf der sich alle drei Sänger mit einer Inbrunst abwechseln, als ob sie den Scorpions den sprichwörtlichen Arsch an die Scheibe des Audi-80-B3-Coupés, mit dem sie an ihnen vorbeiziehen, halten wollen. Das schaffen sie, und nebenbei singen sie, als gäbe es kein Morgen. „This Is Tokyo“ ist dann nochmal einmal mehr eine Reminiszenz an die Scorpions – klar, an welche Band denkt man sonst, wenn es um Japan geht (abgesehen von Alphaville und Anvil) – der Songs ist vielleicht nur so Mittelklasse oder so, aber der Gesang ist wieder einmal mehr Welt oder nicht von dieser.

Anschließend ertönt mit „Universe (Gravity For Hearts)“ der Höhepunkt des Albums: Achteinhalb Minuten lang, kurzes, schmalziges Gesangsintro, dann schnelles, knackiges „Keeper Of The Seven Keys“-Schlagzeug, melodiöser Gesang, wir schmelzen alle dahin und erkennen an, dass Helloween eine großartige Band ist. Und es ist wurscht, wie viele Sänger die eigentlich an Bord haben, die drei kriegen sie so unaufgeregt und ohne irgendwelche Ego-Geschichten unter einen Hut, es harmoniert einfach, dass es die helle Freude ist. Und dazu grotesk gute Gitarren, sowohl rifftechnisch als auch solomäßig, ein immer auf den Punkt passendes Schlagzeug und ein großartiger Bass. Hierzu einfach mal ab Minute 5 mal in „Universe“ reinhören, am besten mit Kopfhörer: Es bläst einen weg und man denkt, Speed Metal wäre noch nicht vorbei. Sowas Schönes!

Der Rest des Albums ist egal. Solides Handwerk, nicht schlecht, aber die großen Erweckungsmomente haben sich bis hierhin schon abgespielt.

Was ich toll finde: Kiske kann meines Erachtens mehr als Hansen und Deris, also er kommt zumindest in höhere Höhen und deckt breitere Bandbreiten ab, aber er ist immer ganz weit entfernt davon, alle anderen an die Wand zu singen. Alle drei Sänger haben ihre Berechtigung und wechseln sich superschön ab, allein das ist ein Alleinstellungsmerkmal der Helloween der 2020er Jahre.

„Hand Of God“ bildet dann eine schöne Kombination von Synths, Gitarren und schmalzigem Gesang, dem man sich aber nicht entziehen kann. „Under The Moonlight“ lässt 80er-Jahre-Maiden-Twingitarren aufleben, erfindet den Metal nicht neu, macht aber Laune, und ebenso tut das „Majestic“ am Ende des Albums, wieder einmal mehr über acht Minuten. Nicht genial, aber weitaus mehr als solide, musikalisch großartig, abwechslungsreich und allen beteiligten Künstlern den notwendigen Raum gebend.

Wundervoll, dass es Helloween noch gibt, und umso wundervoller, was diese Band mit jeweils drei Sängern und Gitarristen so alles anstellt – dazu noch das geschmackvolle Ölgemälde-Cover, gerne weiter so!

A propos Hamburg: Am 29.08.2025 hat der FC St. Pauli gegen den Hamburger SV gewonnen. Mit zwei zu null. In der Bundesliga. A Tale that is VERY right.