Spezial: db2fluctuation – Drei Veröffentlichungen 2025

Von Matthias Bosenick (04.08.2025)

Eine enorm bedauerliche Entwicklung dieser Tage ist es, dass es sich für mittelgroße Künstler nicht mehr rechnet, ihre Musik auf Tonträgern herauszubringen. Oswald Henke von Goethes Erben singt dieses Lied, die beiden Gründungsmitglieder von Front 242, Daniel Bressanutti und Dirk Bergen, mit ihrem Label db2fluctuation stimmen darin ein. Dabei würde man sich deren Musik so gern ins Regal stellen können. Zum Beispiel die jüngsten drei Bandcamp-Veröffentlichungen: „Mandala“ und „Mandala 2“ von Daniel.B. sowie Flux von NothingButNoise, allesamt im elektronischen Ambient mit unterschiedlichen Ausrichtungen angesiedelt.

Daniel.B. – Mandala (2025)

Beinahe dramatisch beginnt der Zwanzigminüter mit Synthie-Figuren, die zwischen Berliner Schule und Jean-Michel Jarre einen eigenen Platz finden. Bressanutti generiert hier keine Beats, die Rhythmen entstehen über die wiederholten Effekte. Bis nach kurzer Zeit diese stark ausgeprägten Sounds verschwinden und ausschließlich die Soundscapes übrigbleiben. Die aber, anders als es der Titel suggeriert, gar nicht so sehr nach fernöstlicher Meditation klingen, sondern etwas unterschwellig Beklemmendes mitbringen.

Leicht spaßige Synthie-Stippen dringen alsbald in die Flächen ein; Teile dieses Tracks könnte man sich auch als Soundtrack zu einer Achtziger-SciFi-Serie vorstellen, „Die dreibeinigen Herrscher“ etwa. Zu dem komplett flächigen, in höheren Tonlagen modulierten Teil gegen Ende könnte man auch hervorragend nervös in einen Monolithen fliegen. Auch hier besorgen es die Halbtonverschiebungen, inmitten der an sich wattigen Sounds Beklemmung hervorzurufen. So entlässt Bressanutti die Hörerschaft dann auch.

Daniel.B. – Mandala 2 (2025)

Der zweite Teil ist mit gut elf Minuten gerade etwas mehr als halb so lang wie der erste und nimmt dessen Struktur zunächst auf. Mit Synthie-Arpeggios generiert Bressanutti Rhythmen, die so wirken, als lägen Beats unter ihnen. Der Track entwickelt etwas Mitreißendes, indem die Töne in ihrer Höhe auseinanderschießen, nach einer Weile aber verschwinden und abermals den synthetischen Soundscapes den Raum überlassen.

Anders als im ersten Teil kehren die blubbernden Synthies hier zurück, wenn auch nicht in der Härte angeschlagen wie zu Beginn des Tracks. Auch hier lässt Bressanutti vermittels Tonverschiebungen und Beugungen zu, dass die Stimmung etwas Unwohlsein beinhaltet. Die Sounds beginnen zu flirren und nervös zu werden, also einmal mehr eher aufregend zu wirken als entspannend. Genau so soll es ja auch sein, quasi Mandalas mal anders.

NothingButNoise – Flux (2025)

Mit „Flux“ setzen Bressanutti und Bergen als NothingButNoise den Weg fort, nur dass die Synthies hier schärfer klingen. Auch dieser Zehnminüter arbeitet mit Wiederholung, die den Rhythmus generiert, und legt zudem einen leichten Dub auf die Kreise, die die Synthies nach Berliner Schule ziehen. Noch stärker als in „Mandala 2“ tritt hier zudem eine Ahnung von Kraftwerk aus den späten Siebzigern hinzu.

Ganz abrupt stoppt dieser Track nach sechs Minuten und nimmt erst leise pluckernd neu Anlauf. Und zwar, um ins All abzuheben, denn der Tracks wird spacig, gar richtig treibend. Zudem fällt auf, dass das Duo in dieses Stück fortwährend Details einbaut, die die Soundscapes, Flächen und Modulationen lebendig halten. Bis hin zum finalen Dub-Effekt, mit dem NothingButBoise die Hörerschaft verabschieden.

Nach dem Live-Ende von Front 242, den EBM-Erfindern, die 2003 mit „P.U.L.S.E.“ ihr letztes Studioalbum veröffentlichten und danach ausschließlich Live-Dokumente, wird die Sehnsucht bei denen, die offen sind für die kompositorische Entwicklung der einzelnen Bandmitglieder, nach Tonträgern der Nebenprojekte umso größer. Insbesondere Bressanutti ist so produktiv, dass es einen umwirft: Anfang des Jahres veröffentlichte Bressanutti mit seinem Antwerpener Male-Or-Female-Weggefährten Elko Blijweert das Album „Killmyjazz“, das namentlich an das Projekt Kiss My Jazz erinnert, das Gitarrist Blijweert vor Jahren unter anderem mit einigen dEUS-Musikern betrieben hatte. 2024 warf Bressanutti satte sechs Teile seiner „ArchV“-Serie auf den Markt mit mehr als sieben Stunden Musik, darunter unter „T4TWO“ einige Neubearbeitungen von Front-242-Songs. Auch die noch auf CD unter dem Alias Alles und Nichts begonnene Reihe „motherXaoc“ bringt es inzwischen auf sechs Teile. Dazu kommen diverse Livemitschnitte, auch von dem Projekt 99.9. Und das alles seit Oktober 2023. Andererseits: So viel Platz hat ja auch kein Mensch in seinem Plattenregal – oder?