Anna Never – Serpi In Seno – Les Longs Adieux 2025

Von Matthias Bosenick (31.07.2025)

Man hört, dass das Duo Les Longs Adieux aus Rom Bock hatte, seinen Sound aufzubrechen und in eine gitarrenlastige Richtung zu drängen. Mit zwei bis drei Gastmusikern hoben Federica Garenna und Frank Marelli das Projekt Anna Never aus der Taufe und präsentieren nun das Album mit dem Äsop-Titel „Serpi In Seno“, und das hat’s in sich: Oldschooliger Achtziger-Punk-Wave, garniert mit Gitarrenelementen aus ebenfalls oldschooliogen Metal- und Rock-Richtungen, dazu Federicas durchdringender Gesang und der Bock, irgendwas anzuzünden.

Gleich mit dem bereits zwei Jahre alten Opener „Mi Prendo l’Eternità“ legt das Quintett los, überschlägt sich beinahe selbst. Dieses Tempo ist nicht mehr nur Post-Punk, das ist Punk, trotz der Wave-Gitarre und der dezenten Synthies. Kraftvoll, energetisch, impulsiv prescht die Band los, und sobald Federica Garenna zu singen beginnt, ist der Eindruck, es mit einem oldschooligen Achtziger-Album zu tun zu haben, noch runder, denn ihr Gesang erinnert angenehm an Gianna Nannini. Klingt nach einer wilden Kombi? Wird noch wilder, denn die Gitarrensoli, die auf diesem Album zwischenzeitig zum Einsatz kommen, passen oberflächlich gar nicht ins Bild – sie sind nämlich dem Hardrock, dem Glamrock, dem Haispray-Metal oder der NWoBHM entnommen, fügen sich aber so perfekt ins Gefüge, als seien Wave und Metal traditionell auf so eine Weise verschwistert. Die Krone darauf ist, dass alles zusammen harmonische, mitreißende Songs ergibt, die mächtig Spaß machen.

Dabei war das immer noch nicht alles, die Songs stecken voller ansprechender Details. Ein waviger Flanger zwischendurch unterstreicht die Nähe zum Goth-Rock, die Saxophon-Soli erscheinen nur denen als artfremd, die Theatre Of Hate nicht kennen. Wenn wir schon bei Vergleichen sind: Britische Achtziger sind auszumachen, etwa Siouxsie And The Banshees oder Big Country. Die eingewebten Synthieflächen erinnern an die ersten drei Alben von Flash And The Pan. „Domani“ beginnt sogar mit einem Rockabilly-Rhythmus nach Art der Stray Cats, bevor es in den Punk zurückkehrt. Für die Gitarrensoli hingegen gibt es so viele Analogien zu Britischen oder Kalifornischen Hardrock-Metal-Figuren, dass sie sich nicht konkret greifen lassen.

Fällt zunächst auf, wie intensiv Power-Gitarre und Gesang miteinander den Planeten zum Glühen bringen, erkennt man bald, dass das extrem lebendige Schlagzeug seinen eigenen großen Anteil daran hat. Auch der Bass bekommt nicht nur die Aufgabe, als Triebfeder zu agieren, sondern auch Raum für eigene Figuren. Verantwortlich dafür sind Bassist Daniele Papale von der Hardrock-Band Heavy Star und Schlagzeuger Alex Giuliani von den Hardrockern Helligators nebst Gast-Saxophonist Carlo Monaco. Hoffen wir mal, dass die sich nicht als Schlange am Busen entpuppen, sondern dass diese Zusammenarbeit eine Fortsetzung findet.

Denn Anna Never belegen, dass Wave-Rock nicht dunkel und düster sein muss, erstrecht nicht jämmerlich oder gar kitschig. Die vier bis fünf Musizierenden punkrocken sich den Wolf, und erst an vorletzter Stelle, zum Titellied, lässt es auch mal eine zurückgenommene Power zu, wird entspannter, legt einen Boogie-Rhythmus aus und setzt mehrere Gniedelsoli ein, Federica singt sogar mal ansatzweise ruhig, zumindest anfänglich, und da lässt die Band sogar durchschimmern, dass ihr auch Humor nicht fremd ist, denn diese Form von Cheesyness ist kalkulierte Absicht inmitten dieser Powertracks. „Serpi In Seno“ ist eine erfrischende Zeitreise in Genres, die es so zusammen damals gar nicht gab.