6SISS – Spare Parts – Antibody Label 2025

Von Matthias Bosenick (10.07.2025)

Lose Skizzen sammelte Peter Andriaenssens zusammen, sagt er, und erstellte daraus „Spare Parts“, sein neues Album unter dem Alias 6SISS. Darauf zu hören sind Retro-Industrial nach modernster Ausführung, IDM und eine Idee von Techno, von Melodien befreit, nicht indes von Atmosphären und Emotionen, solchen zwischen Einsamkeit und Energieausbruch. Für einen Haufen heterogener Ersatzteile klingt dieses Album des Belgiers angenehm homogen.

Wer mit „Spare Parts II“, also dem zweiten Teil des Titellieds, das Album eröffnet und den ersten Teil in dessen Mitte versteckt, hat mindestens Humor, ganz sicher aber Ahnung von Dramaturgie, denn dieser Track leitet das Album anders ein, als es sich fortsetzt. Der Start ist dunkel, schwer, klinisch kalt, leer und legt schon mal die allgemeine Vorgehensweise dar, die über Wiederholung und Monotonie funktioniert, in die Andriaenssens Samples, Sounds und Geräusche integriert. Die Tracks sind stets bedrohlich, aggressiv, nervös und stressig, auch wenn sie, wie dieser Opener, noch BPM-reduziert daherkommen.

Doch der Belgier zieht an und lässt die Pferde laufen, sogar wortwörtlich: Unter „Hostile Frequencies“ liegt ein Galopp, der Equus-Beat treibt voran, und drumherum rasen Pferdestärken, den einige Sounds klingen nach Formel 1. Seine Tracks gestaltet Andriaenssens unkonventionell, er greift auf alten Industrial von vor 40 Jahren zurück, erstellt ihn aber digital, was das Klinische unterstreicht, und lässt bisweilen eine Idee von klassischem Techno zu, die die Hörerschaft bekannte Strukturen erwarten lässt, einen gedroppten oder einen geradlinigen Beat nach einem Break etwa, doch bricht er fortwährend damit und setzt seinen eigenen Kopf durch.

Das führt dann dazu, dass Andriaenssens „Tactical Override“ mit einem schnellen Punk-Beat beginnen lässt, den er später in eine Richtung drückt, die an die alten Sachen von Aphex Twin erinnern. Auf diese frühe Art der IDM kommt er hernach häufiger zurück, etwa in „Signal Intercept“, das mit treibenden Breakbeats, ermunternden Soundscapes und angedeuteten Schlumpfsamples außerdem der Track mit der positivsten Ausstrahlung auf diesem Album ist. Seine Rhythmen variiert der Belgier fortwährend, „Neon Insurgency“ etwa hat ein Gabber-Intro, in „Cyber Siege“ läuft ein unrundes Motortuckern mit, „Blackout Protocol“ basiert auf einer brutal gebrochenen schnellen Bassdrum, hypernervös und energetisch. So variabel behandelt der Musiker auch seine Samples, neben verfremdeter Sprache integriert er Sägen, Rauschen, Drillen in die Tracks. „Spare Parts“ ist ein Ritt im Dunklen, sowohl beklemmend als auch voller Energie.

Als 6SISS ist Andriaenssens seit mindestens 2013 aktiv. Parallel veröffentlicht er auch mit Matthew Watt alias Killawatt aus Portsmouth unter dem Projektnamen Motive Power technoide Electro-Industrial-Alben.