Von Matthias Bosenick (20.06.2025)
Ganz eindeutig: Das Besondere an Ianwill (schreiben sich IANWILL) aus Paris ist die Stimme. Musikalisch ordnen sich die vier im Meoldic Death Metal ein, da sind neue Pflöcke nicht so einfach zu setzen, doch mit der Stimme von Sängerin Audrey Ebrotié hat das Quartett ein Alleinstellungsmerkmal. Sie kreischt und sie singt klar; im Kreischen ist sie nah bei den männlichen Kollegen, im Klargesang hebt sie den Metalcore ihrer Band klar über den der Mitbewerber. Und dann entdeckt man noch andere Unterschiede auf der EP „Echoes“.
Zum Beispiel, dass Ianwill sich nicht auf Melodic Death Metal, also im Grunde Metalcore, festlegen lassen. Startet man die EP, denkt man zuerst an einen Djent, wie man ihn Meshuggah zuordnen würde, mit absurd gebrochenen Riffs und einer merkwürdigen Melodie darüber. Bis dann das losbrettert, was man unter Metalcore verstehen kann. Also heavy Bretter mit Breaks, zu denen irgendwann eine Popmelodie erklingt, die die Brutalität etwas abmildert.
Mit dem Melodiösen ist es in dem Rahmen immer etwas schwierig, und davon lassen sich auch Ianwill nicht ausnehmen: Pop und Metal ist eine komplizierte Liaison. Erst bösartig keifen, dann trällern wie im Formatradio, während die Kumpels den Stahlbeton aufsägen. Wenn dieser Popgesang allerdings eine solche Stimmfarbe hat wie der von Audrey Ebrotié, gibt man ihm sich wieder gern hin, insbesondere, da die Sängerin in den meisten Passagen ihre Sangesbrutalität der der Musizierenden angleicht und in klar eine angenehme Tonlage hat. Und so kitschig, wie andere Sängerinnen im Metal, wird sie nicht; lediglich ein kurzer Moment in „Afterglow“ lässt an Nightwish denken, aber in einer Variante, die ausnahmsweise mal cool wäre.
Na, und das mit dem Death Metal stimmt ja auch unabhängig von den melodischen Parts, da brettern die Pariser aber sowas von los, brechen mit unerwarteten Breaks über die Hörerschaft hinein, packen abrupt kontemplative Atemhol-Ambient-Sequenzen dazwischen und krachen wieder los. Obschon ein Keyboarder nicht aufgeführt ist, scheinen manche Elemente etwa in „Latenti Quietus“ synthetisch generiert zu sein; sind sie dies nicht, gebührt den Erzeugern dieser Sound ein Extra-Respekt. Naja, die Chor-Samples in „Condemned“ sind schon aus der Maschine, oder?
Die EP „Echoes“ ist das erste Lebenszeichen des Quartetts seit dem Album „One Credit Left“ aus dem Jahre 2019. Viel mehr gab es davor auch noch nicht, die Single „We’ll Remain“ 2017 und das Debüt-Mini-Album „This Day“ 2013 lediglich. Damals wechselte Audrey Ebrotié von der musikalisch vergleichbar ausgeprägten Band Diary Of Destruction zu Ianwill, heute sind mit ihr dabei: Schlagzeuger Boris Le Gal, Gitarrist Tom Ségur und Bassist Mathieu Gelinotte. Es fehlt also im Vergleich zum Album der zweite Gitarrist Michael Gerrardin. Ebenfalls nicht mehr dabei ist Schlagzeuger Rul; sein Nachfolger sitzt parallel auch bei Betraying The Martyrs und Dropdead Chaos auf dem Schemel.