Von Matthias Bosenick (11.06.2025)
Hier kommt eine Menge Neunziger-Indie zusammen: Shoegaze, Indierock, Post Punk, Wave Rock, bis hin zu modernem Post Rock. All dies bündelt das Quartett Pale Blue Dot aus der Gegend um Bologna auf seinem Debüt „(h)eart(h)“ zu einem überzeugend einheitlichen und harmonischen Gemenge, das weit weniger sperrig ist als sein Titel, der wiederum an die Bedeutung des Bandnamens anknüpft. Hier obwaltet Schönheit, man darf in dieser Gitarrenmusik versinken.
Als Fan von britischen Spätachtziger- und Neunziger-Bands kommen einem die Grundzutaten von Pale Blue Dot vertraut vor: Hall auf den Gitarren und auf der entrückten männlichen Stimme, wundervolle, selbstversunkene Melodien, Jangle-Passagen, gleichzeitig anregend temperiertes Schlagzeug, energetische Kontemplation. Druckvoll gehen die vier zu Werke, um ihre Version dieser Mixtur darzubieten, auch die transparenten Passagen lassen keine Lücke, die instransparenten sind enorm dicht gewebt. Diese Art von Rockmusik lebt nicht von Härte, obschon ein, zwei Mal die Gitarre mit einigem Fuzz versehen ist. Die Kombi aus wattigem Hall und wahrnehmbarer Stärke ver- und entzückt ungemein.
Es ist wie eine Zeitreise, legt man „(h)eart(h)“ auf: The Chameleons sind als Inspiration auszumachen, viele Alben des 4AD-Labels, die jüngeren Alben von Alcest, diverse dem Wave nahe Indie-Poprock-Bands. Wie jenen liegt auch Pale Blue Dot eine gewisse Schwermut inne, die in den Stücken die Stimmung mitträgt. Depressiv wiederum ist „(h)eart(h)“ eher nicht, lediglich nicht gutgelaunt, eher innerlich, kontemplativ, in sich gekehrt und reflektiert, beinahe neutral. Und obwohl man hier sehr viele Retrosounds zu hören bekommt, ist die Zusammensetzung eigen und die Produktion zeitgemäß.
Interessanterweise existiert die Band Pale Blue Dot bereits seit zehn Jahren, dennoch ist „(h)eart(h)“ das Debüt. Oder besser: eine Compilation aus bereits seit 2022 veröffentlichten Singles und Neueinspielungen – die glücklicherweise den Eindruck von Sammelsurium gar nicht aufkommen lässt. 2015 gegründet, seit 2018 in der jetzigen Besetzung zusammen: Sänger und Gitarrist Tommaso Lampronti, Gitarrist Enrico Bongiovanni, Bassist Cosimo Tanzarella und Schlagzeuger Francesco D’Astore. Erstere beide kannten sich bereits von der Band Staré Město, letztere beide von der Band Zeder. Als Pale Blue Dot nun bezeichnete Astronom Carl Sagan 1990 die Erde, wie er sie auf einem aus sechs Milliarden Kilometern von der Raumsonde Voyager 1 aufgenommenen Foto ausmachte; Pallido Puntino Azzurro wäre als Bandname auch schön gewesen, denn Pale Blue Dot ist bereits einige Male vergeben. „(h)eart(h)“ hingegen noch gar nicht.