Roji – Tsunami Deluxe – Schneider Collaborations 2025

Von Matthias Bosenick (21.05.2025)

Das 2016 als Duo ins Leben gerufene Projekt Roji tritt auf seinem vierten Album „Tsunami Deluxe“ als Trio auf: Bassist Gonçalo Almeida brachte nämlich seinen Trompete spielenden Bruder João Almeida mit ins Studio von Schlagzeuger Jörg A. Schneider in Hückelhoven. Zu dritt nun generieren die Musiker – Lärm. Es ist beachtlich, dass die drei es wirklich durchziehen, zwei Stunden lang – „Tsunami Deluxe“ erscheint als Doppel-CD – so viel Energie aufzubringen, sich so zu verausgaben, so ein Inferno zu entfachen, so einen Tsunami in die Gehörgänge zu spülen. Das Album ist kein Spaziergang, das fordert die Hörer schaft heraus und beschenkt sie mit einer kunstvollen Aggressionstherapie.

Bis auf das Schlagzeug lassen sich die Instrumente kaum als das identifizieren, was sie sind: Der Bass dröhnt wie eine tiefer gestimmte Gitarre und das, was da so quäkend in die Gehörgänge sticht, soll echt die Trompete sein? Klingt wie eine manipulierte Kazoo, die zu klingen versucht wie eine aufgebrachte Hornisse, die versucht, gegen den aufkommenden Sturm anzufliegen und nicht die Orientierung zu verlieren. Doch dieser Sturm ist mächtig, sie irrt lediglich in ihm herum, mit ihm umher, und geht eine Einheit ein mit den brachialen Elementen, die Bass und Schlagzeug hier entfesseln.

Tatsächlich entwickelt diese Trompete bisweilen so etwas wie Melodie, oder besser: wiederkehrende Strukturen, Loops, also etwas, an dem man sich festhalten kann, um nicht hinweggefegt zu werden. Einiges klingt dabei annähernd orientalisch, wie Schlangenbeschwörung. Manche dieser Loops indes erfordern ihrerseits Kraft, um dann nicht doch lieber loszulassen, insbesondere, wenn sie verknappt und extrem repetitiv sind, denn dann bohren sie am Nervenkostüm. Dann stellt man eben fest, dass auch der Sturm drumherum in der Lage ist, Halt zu bieten: So sehr abseits von handelsüblichen Takten ist die Dresche nämlich gar nicht, die das Schlagzeug verabreicht bekommt, und auch der Bass brummelt nicht einfach vor sich hin, sondern entwickelt seinerseits erkennbare Strukturen, auf die er zurückgreift.

Doch das Trio kann auch die Intensität herabsetzen: Im vierten Track „Influx“ etwa kommt der Sturm zur Ruhe, oder besser: zu etwas, das sich im Vergleich zu den ersten drei Tracks beinahe als Ruhe ausnimmt. Das Stück könnte eine Persiflage auf gewöhnlichen Indierock oder Jazzfusion sein, denn hier halten die drei Musiker keine Takte ein, sondern agieren immer minimal neben dem Metronom. Da sich aber alle drei Verschiebungen unterscheiden und dann überlagern, ergibt es ein Stück von eigener Durchgängigkeit. Na, und so wechselt sich die Intensität ab über die zwei Stunden Musik. Lärm. Tsunami. Na gut, einer, der zum Schluss hin ausrollt, aber da ist man bereits so erschöpft davon, den Wellenbergen standzuhalten, dass einen auch diese Restenergie noch umhaut.

Zwei Stunden! Echt, die drei halten es zwei Stunden lang durch, nervenzerfetzenden Lärm zu generieren. Im Grunde gibt es kaum eine Atmepause, denn selbst die vermeintlichen Ruhesequenzen wie in „Impaled Unicorn“ sind für sich genommen immer noch brutal genug. Während die Unwetter um den Hörenden herumtosend, überlegt der, wie es wohl sein muss, im Studio Teil dieses Pandämoniums zu sein, ein Instrument zu bedienen, um den Ausbrüchen der anderen beiden etwas entgegenzustemmen, sich einzumengen, seinen sonischen Platz zu behaupten. Nun: Das muss Bock bringen. Einfach machen. Da sein, dabei sein, Teil sein, wahrnehmbar sein. Und dann etwas generieren, das Menschen, die sich damit auseinandersetzen wollen, herausfordert.

Aktuell fordern Roji die Hörerschaft in Japan heraus, live auf Tour. Das passt – die Reise dahin, wo das Trio seinen Namen ausborgte, Roji, 露地, Taufrischer Boden. Lustigerweise gibt es in Japan ebenfalls eine Band dieses Namens, das mit Flöte, Gesang und zwei Gitarren „freigeistige Popmusik“ macht. Das wäre doch einen Crossover wert, oder?