Von Guido Dörheide (20.05.2025)
Victoria Ann „Tor“ Maries hat es wieder getan: Nach „Billy Nomates“ (2020) und „Cacti“ (2023) legt die britische Elektromusikunterhalterin mit „Metalhorse“ jetzt ihr drittes Album vor. Wobei – trifft es „Elektromusikunterhalterin“ jetzt tatsächlich noch? Auf den ersten beiden Alben ganz sicher, aber „Metalhorse“ vermittelt wesentlich mehr den Eindruck, dass Musik und Gesang zu einem wunderbaren Ganzen verschmelzen – das Album wurde mit einer Band (mit Liam Chapman am Schlagzeug und Mandy Clarke am Bass) aufgenommen und ist ein toller Schritt in eine gute Richtung.
Ich persönlich finde das aktuelle Album um einiges eingängiger und mehr als aus einem Guss wirkend als Nomates’ bisherige Veröffentlichungen, bei denen mir die Musik öfter mehr als notwendige Untermalung für das, was Maries endlich mal loswerden musste, vorkam. Was nicht schlecht und auch apselut notwendig ist, aber die neue musikalische Ausrichtung gefällt mir deutlich besser. Geht halt nix über eine Band, wir bringen die Band wieder zusammen usw. usf. Und was für eine Ausrichtung ist das geworden: Auf dem fünften Stück des Albums, „Dark Horse Friend“, einem Song, der von einem Freund handelt, der immer da ist, obwohl er irgendwie seltsam ist, aber irgendwie wichtig und irgendwie toll – ein „Dark Horse Friend“ eben – da singt Hugh Cornwell mit. Jahaaa – richtig gehört: DER Hugh Cornwell von den Stranglers. Maries’ Vater war ein großer Stranglers-Fan und auf seiner Beerdigung wurde „Golden Brown“ gespielt, und jetzt singt Cornwell hier mit – manchmal schreibt das Leben Geschichten, die so schön sind wie das Leben.
Textlich und musikalisch gibt es überhaupt wieder auch viel zu entdecken auf „Metalhorse“: Auf dem Titelstück nimmt uns Billy Nomates mit auf einen Ritt auf dem Metallpferd des Karussells ihrer Kindheit – und wer sie nicht begleiten will oder kann, darf auch gerne abspringen.
„Nothin’ Worth Winnin’“ ist einer meiner Favoriten auf dem Album – mit Schlagzeugcomputer, 80er-Jahre-Casio-Keyboard und überhaupt dem ganzen Gesangsstil eine schöne Erinnerung an Nomates’ erste Alben – es geht um den Tod eines guten Freundes und der Refrain („There’s nothin‘ worth winnin‘, I wanna lose“) bringt es auf den Punkt.
Insgesamt ist Nomates’ Weltsicht immer noch so pessimistisch wie auf ihren bisherigen Veröffentlichungen, nur klingt es manchmal fröhlicher, als es sich in den Texten liest. So zum Beispiel auf „Override“, das musikalisch als nicht einmal ganz unfröhlicher Country-Elektro-Pop daherkommt, wenn man aber mal hineinhört, stellt man schnell fest, dass hier ein Ex-Partner besungen wird, dem es immer gefallen hat, wenn alles den Bach herunter geht, der sich nie einen richtigen Job gesucht hat, keine eigenen Ideen eingebracht hat und der jetzt endlich mal verschwinden soll.
Überhaupt gibt es in den Texten von Billy Nomates viel zu entdecken – viel Poesie, viel Lebensweisheit, viel Traurigkeit, aber auch viel Schönheit und wundervolle Melodien. So zum Beispiel bei „Comedic Timing“. Zu schönen, leicht dissonanten Synthesizern lautet der Refrain „The world has moved on and I’ve lost my comedic timing / I’m not holding on if the words, they don’t want to find me“ und gegen Ende ertönt Gelächter. Danach folgt „Strange Gift“, das sich oberflächlich nach einer zum Keyboard mal eben hingeworfenen Skizze anhört, in Wahrheit aber den Tod von Maries’ Vater nach kurzer Parkinson-Erkrankung zum Inhalt hat. Und so bekommt das Skizzenhafte, Unvollkommene eine ziemliche Tiefe und nimmt die Hörenden unter Umständen sehr mit.
Anschließend wird dann gerockt – „Moon Explodes“ beendet das Album mit Schmackes, Retro-Synth-Sounds und Maries’ wunderbarem Gesang, und die Hörenden bleiben zurück voller Gänsehaut und Begeisterung, also zumindest, wenn ich von mir auf den Rest der Hörendenschaft schließen kann.