Von Matthias Bosenick (19.05.2025)
Auf ihrem zweiten Album „Amentia“ zeichnet die zwischenzeitig zum Quartett angewachsene Band Mudfinger aus dem Westerwald eine Entwicklung nach: Beginnt der Reigen noch mit an Kyuss geschultem Stoner Rock, wechselt die Stimmungslage im Verlauf über Prog-Punk, Doom und Sludge zu etwas Rockendem, dem eine gehörige Portion Pop zugrundeliegt – und alles hat einen schlüssigen Ablauf. Und kein Bisschen Verwirrtheit.
Die „Trinity“ eröffnet die Reise mit beinahe teppichartig ausgelegten Riffs, einem Hi-Hat in Dauernutzung und loopartigen Melodien, dazu einem Gesang zwischen inbrünstig gepresst und klar tief gesungen. Erstmal fühlt man sich also willkommen im Stoner Rock klassischer Art, irgendwo aus der kalifornischen Wüste, enorm fett gespielt, druckvoll, und nach Art von Kyuss in Tonlagen gehalten, die Höhen vermeidet. Außer in Solos, etwa in der Vorab-Single „TBABTO“, in der die Gitarre das Frequenzspektrum erweitert. So fühlt man sich gut aufgehoben in einem Stoner-Album, pflegt Erinnerungen an das leider kurzlebige niedersächsische Projekt Earthtone aus dem Neunzigern, dessen Sänger eine sehr ähnliche Stimmfärbung hatte, und stellt ab dem dritten Song fest, dass Mudfinger ja gar keinen Bock auf Grenzen haben, zum Glück.
„Hobo“ lässt nämlich aufblicken: Das Tempo ist rasant angezogen, man könnte beinahe von Punk sprechen, und dann beginnt der Song, sich komplexer zu verschachteln, mit einem Kopfnicker-Mittelteil und weiteren Tempowechseln, lässt also die Idee von Progressivität zu. Sofort auf die Bremse geht dann „Bumper“, das Doom und Sludge in den Stoner Rock integriert. Mit einem brutalen Riff überrascht „Flying Whales“, ein Stück, das dem Oldschool-Thrash-Metal zunickt. „Reefer“ wiederum ist Bluesrock mit Motörhead-Attitüde. Zuletzt mildert sich die Stimmung: „Psychotron“ ist in tiefer Stimme gesungen, irgendwie Indie-Grunge-Rock mit heruntergedimmten Gitarren und einer beinahe poppigen Melodie. Und es passt alles zusammen!
Das ist genau das Gute an „Amentia“, dass eben nicht alle sieben Songs aus einem Guss sind. Vom Habitus her sind sie das, man kann sie einander zuordnen, doch gerade diese Variabilität macht Mudfinger so bemerkenswert. 2018 erschien mit „Psychonaut“ das Debüt, seinerzeit noch als Trio aus Bassist und Sänger Marcus, Schlagzeuger Oli und Gitarrist Timo. Der zweite Gitarrist Jeff trat erst später hinzu. Existent ist die Band seit 2014, überraschenderweise erwachsen aus den Ruinen einer Technical-Metal-Band.
[Edit 20.05.2025] Die Band bat mich um zwei Korrekturen: Herkunftsort von Mudfinger ist nicht, wie ich dem Internet entnahm, Alpenrod im Westerwald, sondern ein noch kleinerer Ort, weshalb die Musiker vom „Raum Koblenz“ sprechen. Und: Sie baten mich, ihre Nachnamen unter Verschluss zu halten, das sei nun geschehen. Danke!