Lars Fredrik Frøislie – Gamle Mester – Karisma Records 2025

Von Matthias Bosenick (12.05.2025)

Kunst, Kunst, Kunst, Kunst, Kunst! Den „Gamle Mester“, also den Alten Meistern, widmet sich Lars Fredrik Frøislie aus Norwegen auf seinem zweiten Soloalben nämlichen Titels. Er verankert sich im Progrock, und das kann man durchaus so stehenlassen. Denn Kunst ist nicht nur Inspiration und Thema, sondern auch das Produkt von allem. So will es das Genre: Progrock ist Kunstmusik. Und hier ist alles drin, was die Schublade so hergibt. Vorhang auf für die Bilder einer Ausstellung!

Genau, Modest Mussorgsky widmete sich den „Bildern einer Ausstellung“, Emerson, Lake & Palmer übernahmen die „Pictures At An Exhibition“, und Frøislie betrachtet nun also die Alten Meister. Heißt: Die Vorgehensweise ist im Progrock keine Neuheit. Mit ELP vergleichen lässt sich dieses Album indes eher weniger, es steht verglichen damit schon für sich selbst. Gottlob! Dennoch ist „Gamle Mester“ ein lupenreines Progrock-Album geworden, das die erforderlichen Elemente berücksichtigt und fürs Ohs angenehm zusammenfügt, wenn auch etwas an Individualität vermissen lässt.

Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang spannt Frøislie den Bogen, namentlich von „Demring“ bis „Skumring“. In der Fast-Mitte prangt das Titelstück, und nur die andere Hälfte der Stücke befasst sich konkret mit Gemälden. Und zwar: „Jakten på det Kalydonske Villsvin“ mit „Die kaledonische Wildschweinjagd“ von Peter Paul Rubens, „Medusas Flåte“ mit „Das Floß der Medusa“ von Théodore Géricault und „De tre gratier“ mit „Die drei Grazien“, tja, und das verrät er nicht, ob er da wieder bei Rubens abguckt oder doch bei Raffael, was wahrscheinlicher ist. Über – oder besser unter – allem prangt Krødsherad Prestegård, ein Gelände mit einer uralten Eiche, die als Naturmonument den Namen „Den gamle mester“ trägt und Berühmtheit erlangte, weil Dichter Jørgen Moe dereinst über sie reimte.

Eine Menge für den Kopf schon mal so, und dann greift die Musik das auch noch auf. Der Opener ist eine Art Instrumental-Intro, das die Fingerfertigkeit des Komponisten vor den Hörenden ausbreitet, mit verschachtelten Strukturen im milden Rock, dazu Flöten und Orgel, so will man das. Etwas Gesang gibt’s erst im zweiten Track, der Wildschweinjagd, außerdem Glockenspiel, Streicher, Synthies, Orgel, Spinett, Klavier. Das haben die Stücke alle alles irgendwo drin, mehr oder weniger intensiv angerichtet. Bei den Grazien etwa gibt es eine ganze Spinett-Passage, die klassisch wirken würde, läge nicht das cheesy Keyboard drüber, das auch im Floß schon zum Einsatz kam. Die Kombi aus Rock und Orgel gibt’s ebenfalls häufiger vorgesetzt.

Nun sollte man bei der Bezeichnung Rock nicht an Hardrock oder gar Metal denken. Dieser Rock hier bleibt milde, also eher Artrock, obschon man an mancher Stelle an die moderneren Opeth denkt oder an die Kumpels von Oak. Dann gibt’s auch wieder Passagen, in denen man Deep Purple, Jethro Tull oder Marillion vor Ohren hat. Und auch sonst haufenweise Progrock-Helden. So schön Frøislie seine Bausteine auch zusammenschiebt, das Eigene ist nach 60 Jahren Progrock auf diesem Album einfach sauschwer auszumachen. Intro und Outro tragen da noch die größte Exklusivität.

Es scheint, dass Frøislie dieses Album nahezu allein einspielte. Bis auf den Bass, den überließ er dem Fusion-Rocker Nikolai Hængsle Eilertsen, unter anderem von BigBang und The National Bank, und der macht einen grandiosen Job mit seinem Groove. Wie überhaupt alle Instrumente hörbar mit Können eingespielt sind, „Gamle Mester“ bietet da die Qualität, die es mit seinem Konzept verspricht. Zugutehalten muss man Frøislie außerdem, dass er es mit dem Verquirlen der Elemente nicht derartig übertreibt, dass man das Album gar nicht nachvollziehen kann. Hält man sich die genannten Gemälde vor Augen, mag man sogar streckenweise ahnen, was den Musiker inspirierte. Insbesondere der Ritt auf dem Floß lässt sich mitfühlen. Ansonsten ist dies eben ein nettes Progrock-Album, das man gut hören kann und das sich in Progrock-Sammlungen unauffällig einfügt.