Ermete – Ermete – Sud Afternoon Tapes/51 Beats 2025

Von Matthias Bosenick (12.05.2025)

Rockmusiker Luca Umidi nennt sich Ermete, also Hermes, und als dieser Götterbote widmet er sein selbstbetiteltes Debütalbum einer göttlichen Naturgewalt, nämlich dem Vulkanausbruch. Dies aber nicht mit Radau und Eruptionen, sondern eher mit Blick auf gemächliche Lavaflüsse, denn auf „Ermete“ fabriziert der Milaneser stark abgebremste Ambient-Drones. Die drei Stücke sind live eingespielt und so gut wie gar nicht nachträglich verändert – und lassen Geheimnisse offen, während man sich beim Zuhören in einer eigenen Gedankenwelt einkuschelt.

Ein Geheimnis ist: Mit welchem Instrumentarium ging Umidi zuwerke? Alles mögliche zum Album erläutert er in den Infos, aber das behält er für sich. Der fast halbstündige Opener „29°00′N 13°44′W (I-II-III)“ könnte ebenso mit einem extrem verfremdeten Bass, einer manipulierten Gitarre oder mit Synthies eingespielt worden sein, heute ist ja längst alles möglich. Oder mit sonstwas, womöglich handelt es sich sogar um Field Recordings, die er direkt unter der im Titel angegebenen Position anfertigte, nämlich auf Lanzarote, am Vulkan Timanfaya. Jedenfalls ließ er sich von jenem zu diesem Track inspirieren.

Das Stück beginnt mit einem tiefen Brummen, über das Umidi bald eine vergleichsweise erhebende Melodie legt. Beats, Rhythmen oder sonstige Strukturen finden sich auf diesem Album abseits vom gelegentlichen Pulsieren der Musik nicht. Diesen kontrastreichen Zustand behält er für das erste Drittel bei, dann fährt er die Sounds herunter und entwickelt ein melancholisch-introvertiertes mehrtöniges Dröhnen. Zusätzlich lässt er einen Ton erklingen, der wie eine qualitativ hochwertige Bontempi-Orgel klingt, in nur leicht veränderten Tonhöhen, mit dezidierten Akkordwechseln. Umidi moduliert sich mitten hinein in Schönheit, hier dringt eindeutig Licht durch. Der dritte Teil wird erst wieder dunkler, der Sound etwas kratziger, an- und abschwellend. Eine minimale Melodie gesellt sich gelegentlich dazu, eher wie ein wiederkehrender Jingle. Dann fadet das Stück ins Nichts aus. Also kein vulkanisches Rumpeln, keine Explosionen, vielmehr das Dröhnen der Erde bildet Umidi hier ab.

Mit „Magnetic Shift“ wechselt Umidi das Thema leicht, bleibt im Grunde in der Geologie und entwickelt dafür einen mittelschnell pulsierenden Drone, ziemlich auf einer Tonhöhe verharrend. Erst nach der Hälfte des Zehn-Minuten-Stückes kommt ein weiterer Ton hinzu, der sich leicht verändert, sogar so etwas wie Wärme abstrahlt und dann fiebrig wird, zitternd. Auch dieser Track läuft aus, das finale „Distant“ läuft entsprechend still ein. Dieses Stück ist quasi wie die Abwesenheit von Tönen, wie eine Erinnerung an Musik, wie ein Schatten. Schöne Töne erklingen, als Entsprechung zu Pastellfarben, abgerundet, weich. Der Track entwickelt sich zu einer Art langsamem Synthiestück, mit Akkorden, Melodien, es steigert sich, es erwacht, und mit ihm die Hörerschaft.

Das mit den Saiteninstrumenten als Basis für die Tracks erschließt sich als möglich, da Umidi in seinen anderen Projekten eben solche Gerätschaften bedient: Hauptsächlich spielt er bei den Psychedelic- und Stoner-Rockbands Huge Molasses Tank Explodes und Tropic Santos, bei ersteren Gitarre, bei zweiteren Bass. Frühere Bands scheinen überdies Thy Sirma und The Pythons zu sein. Das allein ist schon eine schöne Bandbreite, mit Ermete legt Umidi noch eine Schippe drauf – Ambient-Drones, eine angenehme Horizonterweiterung.