Von Matthias Bosenick (02.05.2025)
Die Kombi aus Mucke und Gesang geht unter die Haut und in die Nackenmuskulatur: Eine Art Indie-Rock-Metal mit Frauenstimme gibt’s von Slung, die irritierenderweise nicht aus den USA kommen, sondern aus Brighton & Hove im Süden Englands. Deren Debüt „In Ways“ vereint Neunziger-Grunge-Indierock und modernen Stoner-Sludge, bündelt Energie und Kontemplation und geht gleichsam zu Herzen wie in die Fresse. So muss das!
Der Schrei zu Beginn inmitten von Gitarrengewitter zeigt schon mal, wo bei Slung der Hammer hängt. Nur, um dann zu offenbaren, dass das Quartett mehr als nur eine Hammerkammer sein Eigen nennt, denn „In Ways“ lässt sich nicht in nur eine Schublade stecken. Erweckt der Beginn noch den Eindruck von NuMetal, wischt die Band diesen schon im Verlauf des Openers „Laughter“ wieder beiseite, gottlob. Gitarren werden hier nicht zu billigen Mithüpf-Crossover-Arttacken eingesetzt, die Riffs hier legen eher Teppiche aus, sie funktionieren auf Strecke, als Unterboden, und sind zwar heavy, aber nicht im herkömmlichen Metal-Sinne. Zudem kreiert die Band im Spannungsfeld aus Härte und Zurückhaltung Atmosphären, Emotionen, die von melancholisch bis gereizt reichen.
So eine Sludge-Anmutung mit Frauengesang hat Parallelen zu der Kombi aus Thou und Emma Ruth Rundle oder Converge mit Chelsea Wolfe. Und genau so geil wie jene Alben ist auch „In Ways“ geraten. Man mag auch, sagen wir, die Musik von Alice In Chains heraushören wollen, vielleicht die Intensität von Tool, und dann die Wutausbrüche von L7. Sicherlich kann man heutzutage kaum noch etwas wahrhaftig neu erfinden, aber man kann das Vertraute auf eigenen Pfaden zusammenknoten, und das geschieht hier. Dabei pflegt die Band einen dynamisch groovenden Bass, ein überaus lebendiges Schlagzeug und Gitarren, die eben mehr können als nur Riffs. Das Album ist auch in den reflektierten Passagen so fett geraten, dass man auch eine kitschige Ballade wie „Nothing Left“ feiert. Immerhin ist da eine wimmernde Slide-Gitarre drin. Ebenso countryesk gerät der Rauswerfer „Falling Down“, dass man sich über die gesamte Spielzeit nur wundert, dass diese Band doch nicht aus den USA kommt.
Einige der Stücke entstanden in Zusammenarbeit mit vorherigen Projekten der Musizierenden, lässt die Info wissen, was vermutlich der Grund dafür ist, dass „In Ways“ so divers und doch geschlossen ausfällt. Mit ihrer kraftvollen Stimme überzeugt Katie Oldham in allen emotionalen Lagen, die ihre Mitmusiker so erzeugen, und bei denen handelt es sich um Gitarrist Ali Johnson, Bassist Vlad Matveikov und Schlagzeuger Ravi Martin.
Nicht auf dem Album enthalten sind die beiden Vorabsingles „Fire To Burn“ und „Neurotic“, die Slung im vergangenen Jahr herausbrachten. Als erstes Lebenszeichen gab es zu Beginn des Jahres 2024 „Laughter“ als live in den Shaken Oak Studios eingespielte Version, das Stück immerhin eröffnet „In Ways“ als Neueinspielung. Sehr schön ist übrigens das Cover, das zwar erstmal gar nicht die hohe energetische Ausstrahlung der Musik transportiert, aber dennoch sofort jede Aufmerksamkeit auf sich zieht: Man sieht eine Zeichnung, die den Eindruck eines Rätselbildes mit gesammelten Paradoxien erweckt und mit jeder dieser Paradoxien mehr Unbehagen weckt. So ist „In Ways“ auch eher Wohlfühlmusik für Leute, denen es damit gutgeht, dass jemand Unbehagen in Musik ausdrückt.