Dirk Serries – Zonal Disturbances II – Zoharum 2025

Von Matthias Bosenick (17.04.2025)

Verrückt: Allein mit seiner E-Gitarre und einem unüberblickbar hohen Stapel an Effektgeräten, verliert sich Dirk Serries selbst und lässt dazu das Aufnahmegerät laufen. Seine „Zonal Disturbances“ enthalten eine Art Ambient, die Musik mäandert ohne rhythmische Konturen durch den Raum und nimmt die Hörenden mit zwar dunklen, aber durchaus entspannenden Sounds auf eine Reise. Die auch was länger dauert: Aktuell liegt „Zonal Disturbances II“ vor, und der Antwerpener kündigt an, dass dies eine Serie aus fünf Teilen werden soll. Nur zu!

Dunkelheit dominiert diese „Störungen“, die Töne sind tiefer gehalten, lediglich im Hintergrund oder in Ausnahmen schimmert es mal etwas heller, als Riss in den Wolken – oder auch als Ankündigung von noch mehr Dunkelheit. Serries lässt seine Gitarre dröhnen, er entringt ihr durchgehende Sounds, die er leicht variiert, aber von anderen Sounds begleiten lässt. So hat man nie das Gefühl, permanent nur ein Geräusch zu hören, sondern etwas Lebendigem, aber Langsamem zu folgen.

Der erste von vier Tracks schunkelt wie ein dunkelgraues Meer aus flüssigem Metall in der Nacht, dessen Wellen Geräusche abgeben, die nicht nach Wasser klingen, sondern fester, wenn auch nicht greifbar. Eine Viertelstunde lang wogt dieses handzahme Ungetüm und schafft es, gleichzeitig den Eindruck von unterschwelliger Bedrohlichkeit und deren behutsame Abwendung auszustrahlen. Etwas mehr Helligkeit begleitet den zweiten Viertelstünder, dessen Basis-Drone angenehm fuzzy erklingt und der mehrere Begleitgeräusche transportiert. Von denen sind einige tatsächlich in hoffnungsvoll höheren Lagen gehalten, binden sich aber mit allen Sounds zu einem Geflecht zusammen, so dass keine der Stimmungen dominiert, sondern man von diesem Fluss einfach irgendwie behütet getragen wird.

An dritter Stelle wird es beinahe klassisch, das Stück klingt anfangs nach Streichinstrumenten, die über einen Drone kratzen, wischen, geistern, und danach wie gehauchte Blasinstrumente, ein Saxophon oder Didgeridoo, in das jemand ohne Kraftanstrengung hineinpustet. In diesem Zweiungdzwanzigminüter finden mehr atmosphärische Wechsel statt als in den beiden Tracks davor, die in sich geschlossener ein Thema abbilden. Hier verändern sich die Sounds beständig, denn bald schon bedient Serries seine Gitarre so behutsam, dass ihr lediglich ein milder Ton entfleucht, in dem man sich betten mag. Was er dem hinzufügt, lässt die Ahnung von Synthesizern aufkommen, die jemand zaghaft bedient, nur einen Ton, vielleicht zwei, ein bisschen herumprobiert, vorsichtig, dass es auch ja niemand mitbekommt. Ab und zu rutscht der Experimentierende dann und wann aus, dann dröhnt ein intensiver Ton, aber hey, das verleiht dem Bild nur Konturen und bindet die Aufmerksamkeit der Betrachtenden.

Der letzte Track, abermals 22 Minuten lang, erhöht wieder den Fuzz-Anteil im Drone. Mancher Sound knarzt gar wie ein alter analoger Synthesizer, dadurch bekommt der gesamte Track eine angenehme Wärme, trotz der eher aufgekratzten Sounds, denn die setzt der Gitarrist stressfrei ein, wellenartig, sinuskurvig. So sind Wiederholungen und Loops ohnehin ein fester Teil dieser „Zonal Disturbances“. Zudem variiert er auch hier die Geräusche, er entlockt seiner Gitarre unter anderem gelegentlich den Klang einer Orgel und zuletzt sogar den einer Sirene. Damit holt er die Hörenden freundlich aus der Trance wieder heraus, in die er sie in den 70 Minuten davor versetzte.

Rätselhaft sind die Titel der vier Tracks: Sie lauten „594ZEY8P“, „KG209NCF“, „XDY8756C“ und „AHOFS58Z“. Was auch immer sie bedeuten, sie sind originär, eine Internetsuche führt direkt auf dieses Album zurück. Auch scheinen es keine codierten Koordinaten zu sein, Google Maps wirft da nichts aus. Zeitangaben sind es nicht, Hexadezimalzahlen nicht, allenfalls ein kryptischer Dialog mit Richard D. James fällt dazu ein, dessen Tracktitel sind ja bisweilen ähnlich nebulös. Auf dem ersten Teil der „Zonal Disturbances“ begannen alle Tracktitel mit dem Buchstaben I, gefolgt von weiteren Buchstaben und Zahlen, aber selbst solch eine minimale Konstante bietet Teil II nicht an. Auch ergeben Online-Decodierer keine sinnvollen Ergebnisse.

Drei weitere Teile der „Zonal Disturbances“ will Serries noch folgen lassen. Die spielt er vermutlich ein, während man den zweiten Teil noch hört, und dazu gleichzeitig noch 161 weitere Projekte mit Freunden, die dann im Mai als Mitschnitt erscheinen. Verrückt!