Disjecta Membrae/Guillaume Tiger – Antiphona – Bitume Prods 2025

Von Matthias Bosenick (14.04.2025)

Bei dem Album mit dem treffenden Titel „Antiphona“ handelt es sich um eine Split-Veröffentlichung, deren beiden Tracks wechselnd von den Beteiligten Disjecta Membrae und Guillaume Tiger aus Paris bespielt sind, jeweils mit einem um die 20 Minuten langen Track. Hier scheint keine Sonne, und wenn, dann eine, die jedes Licht schluckt: Funeral Doom und Dark Ambient sind unter anderem die Etiketten, die verteilt auf beiden Tracks kleben. Lebensfreude geht anders, „Antiphona“ ist ein überzeugender Gegenentwurf zum hellichten Frühling.

Bei Disjecta Membrae – Präparierte Gliedmaßen – handelt es sich um ein Ein-Personen-Projekt, und zwar von jemandem, der sich Asmael LeBouc nennt und ansonsten bei der passend benannten Band Funeralium den Bass spielt. Funeral Doom, und zwar sowas von: Die Taktzahl seines Tracks „Guttae Sanguinis Decurrentis in Terram“, „Blutstropfen fließen auf den Boden“, liegt nur knapp über der eines typischen Stückes von Bohren & der Club Of Gore, dafür gibt’s in diesem minimalen Tempo aber brutal geshredderte Riffs, eine dronige Gitarre im Hintergrund sowie Stimmbeiträge zwischen tiefem Growlen und zurückgehaltenem Schreien. Man muss indes etwas schmunzeln, wenn man die weiterführenden Unterkategorien liest, solche wie Torture Doom oder Depressive Black Metal, als Steigerung der Steigerung. Sei’s drum. Als Übergang lässt LeBouc seinen Track in einen Industrial-Horror-Soundscape münden, bevor er zum letzten Schrei ansetzt.

Dem begegnet Guillaume Tiger, besser bekannt unter seinem Alias Isothesis, in seinem Track „Deiclast“ mit Glockenläuten und bedrohlichen Soundscapes, die die Abwesenheit von strukturierter Musik zelebrieren. Ein tonloses Rauschen schwillt an und ab, verrätselte Saiteninstrumente oder auch Stahlseile werden angeschlagen, im Hintergrund läuft ein permanenter Ton hypnotisch mit. Manches klingt wie auf einer Schiffswerft gesampelt, manches wie aus einem Horrorfilm mit tödlichen Insekten entnommen, manches wie die Backing-Spur zu Industrial-Doom, manches wie das Todesröcheln eines vergessenen Patienten in einem vor Jahrhunderten aufgegebenen Krankenhaus, manches wie der nukleare Regen in einer ausgestorbenen Stadt. Es entfacht das Kopfkino, und das spuckt dann eher unschöne Bilder aus. Aber unterhaltsame.

Obschon beide Tracks eine unterschiedliche Grundausrichtung haben, passen sie bestens zueinander. Da sind Doom und Ambient nah beieinander, wenn sie in ihren Unterkategorien den Schulterschluss suchen und, wie hier, auch finden, auch wenn der erste Track klar rhythmisch strukturiert ist und der zweite komplett gar nicht. Dunkelschwarz saugt dieses Split-Album jedes Licht ab, und das ist trotz der dankenswerterweise endlich zunehmenden Tageslänge auch okay so.