Liegengeblieben!

Von Chrisz Meier (12.03.2025)

Hallo. Ich bin Chrisz Meier und arbeite bei einem Bürgerradio in Südwest-Niedersachsen. Der Sender bekommt ständig Promo-CDs zugeschickt, die niemand verlangt hat und um die sich niemand kümmert. Diese CDs landen dann mitsamt ihrem Beipackzettel der Plattenfirma, auf der die jeweilige Band stets als die Neuerfinder der Musik gepriesen wird, in einer schmucklosen Ablage, beschriftet mit „Zum Mitnehmen“. Einige der bei dem Sender ehrenamtlich Tätigen, Betreiber ihrer eigenen Radioshows, bedienen sich daraus, vieles bleibt aber dennoch liegen. Diese Liegengebliebenen durchforste ich in unregelmäßigen Abständen, immer auf der Suche nach unentdeckten Perlen – nicht zuletzt deswegen, weil ich, selbst Teil einer Band, der keinerlei Beachtung entgegengebracht wird, es ungerecht finde, diese mit viel Herzblut und Zeit hergestellte Musik einfach zu ignorieren.

Also werde ich an dieser Stelle hin und wieder ein paar dieser Liegengebliebenen vorstellen.

Heute habe ich mal einen Schwung Scheiben mitgebracht, die wohl jemand aus seiner CD-Sammlung aussortiert und in die „Zum Mitnehmen“-Kiste verbracht hat. Hier fehlen nämlich die von der Plattenfirma mitgeschickten Lobpreisungen, außerdem sind sie teilweise schon recht alt. Schon von 2004 z.B. ist „Soul Sherpa“ von Peter C. Johnson. Dieser Mann war wohl mal ein etwas bekannterer Singer/Songwriter in den 60ern. In Boston. Diese Scheibe hier ist relativ unhörbar. Johnson rezitiert mehr, als er singt, und er tut dies mit einer Grabesstimme über einen Teppich uninspirierter Musik und singt dabei grauselige Texte. Wirklich keine Empfehlung.

Peter C. Johnson: Soul Sherpa (2004)
CD
Corazong Records

Ähnlich schlimm verhält es sich mit The Davolinas und ihrem Machwerk „Edge Of A New Day“ von 2005. Schlechtes Songwriting trifft auf schlechte MusikerInnen trifft auf schlechten Sound. Das soll wohl eine Art Garagen-Punk’n’Roll sein, zündet aber wirklich in keiner Sekunde und ist von vorne bis hinten einfallslos. Dieses Album durchzuhören war eine Meisterleistung in Sachen Selbstdisziplin. Zum Glück hat dieses Trio aus Kopenhagen keine weiteren Spuren hinterlassen.

The Davolinas: Edge Of A New Day (2005)
LP, CD
Nasoni Records

Ebenfalls von Nasoni Records kommt „Psycle“ von Dead Peach. Dieses Label scheint kein glückliches Händchen (gehabt) zu haben. Auch diese Veröffentlichung schreit „Stop me!“ nach dem ersten Song, bei dem man fast sofort weiß, wie der Rest der Platte weitergehen wird. Nämlich zäh. Die vier von Dead Peach versuchen sich im Heavy Fuzz Psych mit Stonereinsprengseln. Heraus kommen aber leider nur überlange Lieder voller Langeweile und ewigen Wiederholungen. Als erstes Lebenszeichen einer Schülerrockband würde ich das durchaus respektieren, aber Dead Peach gibt oder gab es schon länger, und „Psycle“ war nicht ihr Debüt. Wer auch mit Billig-Stoner-Psych zufrieden ist, kann es ja mal hiermit probieren.

Dead Peach: Psycle (2006)
LP, CD, Digital
Nasoni Records

Ganz anders verhält es sich mit den Schweden von Blowback und ihrer CD „Morning Wood“ (2008). Hier packt einen gleich der erste Song trotz eines der ausgelutschtesten Riffs der Rockgeschichte. So ist das bei Stonermucke: Sie ist voller Klischees, aber wenn du als Band in diesem Genre ernst genommen werden willst, dann musst du diese Klischees bedienen, und zwar verdammtnochmal gut! Blowback machen ihre Sache ordentlich und wenn es einen Kritikpunkt gibt, dann den, daß gerade die tiefen Frequenzen etwas mehr Druck hätten vertragen können. Zusätzlich zu neun Studiosongs bekommt man auf „Morning Wood“ (ja, ich weiß, was das bedeutet) noch drei Livesongs dargeboten, auch das sehr ordentlich in Sound und Darbietung. Anscheinend gibt es die Band schon seit 2012 nicht mehr; hiermit hinterlässt sie einen Nachlass, für den sie sich nicht schämen müssen.

Blowback: Morning Wood (2008)
CD
Self-released

Und hier noch zwei neuere Veröffentlichungen. Zum einen „Ceres“ von Nazca Space Fox, noch ziemlich frisch vom September 2024. Bei NSF handelt es sich um ein Instrumentaltrio aus Deutschland, das seine Musik als Space- und Desert-Rock bezeichnet. So kann man es auch nennen. Ich dagegen höre wieder überlange Lieder, in denen über weite Strecken und viele Minuten dasselbe Thema, dasselbe Riff nur in Nuancen verändert wird. Gleich der Opener des Albums, „Weltraumwind“, ist fast 11 Minuten lang, und obwohl meine Aufmerksamkeitsspanne zum Glück noch lang genug ist für sowas, wurde meine Geduld auf Proben gestellt. Denn auch bei den anderen vier Songs des Albums passiert weiß der Himmel nicht viel. Dazu kommt die relativ drucklose Produktion. Wer gerne sehr lange Lieder ohne störenden Gesang hört, sollte hier mal reinhorchen, denn hin und wieder versteckt sich doch eine gute Idee oder ein zündendes Riff in den vielen Minuten Musik.

Nazca Space Fox: Ceres (2024)
LP, CD
Tonzonen Records

Mit der letzten Scheibe für heute kann ich gar nichts anfangen: „Vinyl Flavour“ von The Soulmate Project ist lupenreiner Neo-Swing. Und ich dachte, dieser kurzlebige Trend wäre vor zehn Jahren vorbei gewesen. Aber nein, da kommt diese Scheibe um die Ecke, veröffentlicht am 6.12.2024. Hierdrauf findet sich auch „Ein Tag wie Gold“, das vielleicht aus der dritten oder vierten Staffel Babylon Berlin bekannt ist und von Max Raabe gesungen wird. Das mag als Orientierung dienen, denn die restlichen Songs auf „Vinyl Flavour“ sind ähnlich gestrickt. Definitiv nicht mein Geschmack.

The Soulmate Project: Vinyl Flavour (2024)
CD, Digital
Electro Swing Thing Records