Von Matthias Bosenick (04.03.2025)
Bis über beide Ellenbogen knietief im dichtgepackten Synthiesound der Achtziger, aber dezent angeschlagene Bratzgitarren mit bei: Mit ihrer Debüt-EP „Thinking Without Language“ eröffnen The Orphaned Bee aus Australien ihre Discographie. So richtig ohne Sprache denkt das Trio zwar nicht, aber man versteht nix, weil diese Sprache hier aus einem extrem weichgezeichneten Vocoder herausdringt. Der fette Gesamtsound plättet ungemein, es bedarf einiger konzentrierter Durchläufe, um die Freude an den fünf Tracks ungezügelt lodern zu lassen. Aber dann lodert’s auch.
Mit einem „Miami Vice“-Gefühlt taucht man in die EP ein, „Rain“ versetzt die Hörenden direkt in die Achtziger. Dafür schmeißen The Orphaned Bee all ihre Synthies an, drehen sie auf Elf und lassen kombinieren energetische Akkordfolgen und mit einem angebrochenen Beat dargereichte Geschwindigkeit zu einem uplifting Uptempo. Spacige Sounds, der Vocoder auf dem Gesang und ein unerwarteter Bruch im Song kommen hier erstmals zum Einsatz und bleiben die gesamte EP über präsent. In den Synthiesound bratzt gelegentlich eine dezente E-Gitarre hinein. Als nächstes generieren die Australier mit „Water“ einen synthetisch rockenden Glam-Rhythmus, dem sie einige Industrial-Rauheit verleihen und es mit Opulenz und Epik wundervoll übertreiben.
Die Power-Synthie-Ballade „Sanctuary“ mit den dezidiert gesetzten Bass-Beats, so alle halbe Minute mal einer, kann man nutzen, um den Druck sacken zu lassen und in sich zu gehen. Das mit den Vocodern zu solch einem Sound erinnert leicht an Daft Punk oder Kraftwerk, obschon erstere beatlastiger und zweitere minimalitischer sind. Bevor man noch zu konkreter passenden Vergleichen kommt, heben The Orphaned Bee den Track in die nächsthöhere Besteckschublade, die mit dem vollen Satz, der aus Orchester wie aus einem Kitschfilm-Soundtrack besteht nämlich. Und bevor der opulente Schwulst überhandnehmen kann, verzichten die Musiker in „Fire“ darauf auch schon wieder. Es bleibt eine reduzierte Synthie-Ballade, die – abermals mit dem Vocoder als Marke – an Air denken lässt. Auch hier bauen The Orphaned Bee einen Bruch ein, dieses Mal besteht er aus futuristischer Frickel-Elektronik. Danach darf der Track dann wieder fetter werden. Noch fetter ist die Bratzgitarre, die für das langsam und synthetisch bleibende „Ascendance“ zurückkehrt und einen pluckernden Synthie begleitet. Die Band driftet abermals spacig und flächig aus ihrer EP heraus, lässt den Track aber zusätzlich in einer theatralischen Laibach-Dramatik enden.
Ein fettes Whoa also, mit dem das Trio hier aufläuft. Zunächst will man sich unter der dicken Decke wegducken, die sie mit ihren plättenden Synthies über einen stülpen. Doch die erneuten Durchläufe offenbaren, dass in den fetten Tracks sehr viel Feinmechanik und Schmiedekunst stecken, und dann mag man die plättende Oberfläche auch sehr gern.
Kopf und Hauptkomponist dieses Trios ist Brett Tollis, mit ihm musizieren Laura Boettcher und Alex O‘Toole. Jener war bereits bei den Ambient-Proggern Meniscus sowie bei der proggigen Mathrock-Band mit dem fabelhaften Namen Captain Kickarse And The Awesomes im Einsatz. Zusätzliches Piano spielt hier Produzent Ron Pollard, der in seiner Hauptarbeit eine lange Liste an Veröffentlichungen darbietet. Beheimatet ist das Trio an der Sunshine Coast in Queensland, an der australischen Ostküste, nördlich von Brisbane. Das kann man sich als Kulisse zu einem Down-Under-„Miami Vice“ auch ganz gut vorstellen.