Der Schnellste – Meereswetter – Inverse Music 2025

Von Matthias Bosenick (28.02.2025)

Diese Debüt-EP wirft mehr Fragen auf, als sie Antworten gibt, und ist dabei auch noch ganz geil: Auf „Meereswetter“ gibt es auf Deutsch vorgetragenen Crossover-Hardrock’n‘Roll zu hören, dargeboten von einer finnischen Band namens Der Schnellste. Bis auf die kuriosen Pseudonyme ist über diese Band absolut nichts herauszufinden, die Musik gibt es lediglich im Stream, die Texte sind – nun: vorhanden, und es macht irgendwie saumäßig Spaß, sich diesen Quatsch anzuhören. Rammstein standen hier übrigens nicht eindeutig Pate, gottlob!, obschon der Sänger in einem der vier eher albernen Videos zur EP ein Shirt von denen trägt.

Vielmehr erinnert der erste Song „Geschüttelt nicht gemischt“ an eine Kombination aus dem Crossover der Marke Rage Against The Machine mit dem Gesang von Laibach. Die Band rockenrollt dreckig, die Furcht vor NDH bleibt unbegründet, dazu ist die Gitarrenarbeit viel zu dreckig, eben nicht so klinisch kalt, und sind die Songs zu abwechslungsreich und organisch. Also geil gespielt auf jeden Fall, alle vier Stücke. „Meine Stadt“ präsentiert sich als Headbanger-Ballade mit atmosphärischen Synthies und Laut-Leise-Dynamik. Das Stück ist der nächste Beleg dafür, dass die Band geil an der Gitarre arbeitet, einen lebensbejahenden Drummer dabeihat und gern mit den Möglichkeiten hantiert, die die Instrumente anbieten, also spontane Umstellung von Akkord auf Riff oder Einbau unerwarteter Breaks. Moment, was hört man da – „Schnitzel“, „Scheiße-Dorf“?

Ja, die Texte. Der erste Song handelt von James-Bond-Filmen und dem Vergnügen der Finnen am deutschen Synchron. Lustig, dass sie dabei „gerührt“ und „gemischt“ verwechseln, aber sei’s drum. Der dritte Song handelt vom „Skispringen“ und ist eine Uptempo-Nummer mit dezidiertem cheesy Keyboard-Einsatz zum Turbo-Rock’n’Roll. Der Sänger brüllt, und man brüllt zuletzt beherzt mit ihm: „Garmisch-Partenkirchen!!!!“ Noch merkwürdiger wird die, ähm, romantische Liebesballade „Das Schnellste“, mit beinahe klarem Gesang, Synthies, dramatischer Steigerung und als Höhepunkt einem gniedeligen Prog-Rock-Gitarrensolo. Hier ist man bisweilen damit einverstanden, dass man die Texte nicht ganz so eindeutig versteht, das klingt alles doch eher unromantisch. Und endet als wuchtige Metal-Ballade. Voll schön sogar.

Vor, zwischen und nach die vier echten Songs packt die Band Interludes, die sie als instrumentale Electro-Spielereien mit kuriosem U-Boot-Bezug gestaltet und nach dem Titel der EP benennt, also „Meereswetter“, mit aufsteigenden Uhrzeitangaben, von 05:50 bis 21:50, letzteres mit unverständlichem Gemurmel. Das offenbart überdies einmal mehr die stimmliche Verwandtschaft des Sängers zu Milan Fras, dem Sänger von Laibach.

Dieser Sänger nun nennt sich Affe Kleinblatt, zur Gründung dieser Band tat er sich mit Gitarrist Arno Pferd zusammen; beides Pseudonyme, die ins Leere führen. Der einzige Klarname, der hier zu lesen ist, lautet Sami Haavisto, und dem sind die mit „Nonsense Machines“ generierten Interludes zu verdanken. Man kann nur hoffen, dass es den Namen in Finnland mindestens zweimal gibt, und dass es sich bei diesem Sami Haavisto um den Musiker von FuzzyDice Producions handelt – und nicht um den Horror-Regisseur, der offenbar als rechtsextremer Aktivist bekannt ist. Weiter im Line-Up, die drei offenen Posten sind Timo Von Sauerkraut am Bass, Glen Scandal am Schlagzeug und Waldemar Panzer an den Keyboards.

In den Videos nun sieht man einen reichlich gut gebauten bärtigen Mann mit Bierdosen der Marke Perlenbacher Lager und einem als Gitarre verwendeten Holzbrett in der Gegend herumposen (oder als Agent Leute erschießen). Das sieht alles reichlich spaßig aus und passt sehr zu der Darstellung, die man auf der Bandcamp-Seite von Sami Haavisto zu sehen bekommt – dem experimentellen Musiker, nicht dem Horror-Regisseur. Der Schnellste sind in ihrer Wirkung mehr Eläkeläiset oder Steve’n’Seagulls als Impaled Nazarene, bei denen der dubiose Regisseur mitmischte. Es bleiben also Fragen offen, nicht nur nach Affe und Pferd, und bis zur Klärung herrscht ausgezeichnetes „Meereswetter“.

[Edit 20.30 Uhr] Die Band half bei der Aufklärung: Der Gute der beiden Samis macht hier mit. Danke!