Pornographie Exclusive – Pornographie Exclusive – Antibody 2025

Von Matthias Bosenick (20.02.2025)

Hört man nicht, dass „Pornographie Exclusive“ das Debüt-Album des gleichnamigen Brüsseler Duos ist, das klingt viel zu reif dafür. Um Debütanten handelt es sich nämlich bei Séverine Cayron und Jérôme Vanderwattyne nicht, sie sind nämlich bereits in Musik, Schauspielerei und Regie versiert. Gute Voraussetzungen offenbar, um auch in Kombination musikalisch zu überzeugen: In einem sehr weit gefächerten Feld aus Synthiepop, EBM, Techno, Downbeat und Experiment ist dieses Debüt angesiedelt, der Soundtrack zu ihrer eigenen 2024er Kurzfilmsammlung „One-Way Ticket To The Other Side“. Wunderschöne Musik außerhalb von Schubladen.

„A Party In Tears“ eröffnet dieses Album, und der Titel passt zur Musik wie die Faust aufs Butterbrot: Tanzbarer Electropop mit wavigen Gitarrenfiguren, verhaltener, wehmütiger Gesang, cineastische Atmosphäre – Pornographie Exclusive are „Dancing With Tears In My Eyes“. Ein einnehmender Opener, der viel verspricht, und die folgenden acht Songs lösen jedes Versprechen ein. „Under The Black Sky“ ist ein klassischer Wave-Song mit gebrochenem Zwei-Schritte-vor-drei-zurück-Rhythmus, eingebauten Industrial-Noise-Sounds, Gitarrenwänden und noisigen Soundscapes, die Kombination aus dieser Musik und dem zurückgenommenen weiblichen Gesang erinnert wohlig an Collide. Stimmen sind gar nicht durchgehend eingesetzt, viele Tracks bleiben instrumental, etwa das technoid-treibende „Wanderlust“.

Die für den zweiten Song genannten Elemente variiert das Duo fortwährend neu, reichert sie – etwa in „Icon“, dem ursprünglich als Albumtitelgeber gedachten Track – mit klassischen EBM-Stampfbeats oder IDM-Glitches an und versetzt sie mit atemberaubend schönen, atmosphärischen Instrumental-Melodien. In der Mitte gibt’s eine Tanzpause, „Electric Blue“ ist Ambient, versetzt mit Piano-Klimpern und gegen Ende sogar verschleppten Industrial-Beats. Der Track geht fließend über in „Invitation To A Suicide“, im Original von John Zorns „Filmworks XIII: Invitation To A Suicide“ aus dem Jahr 2002, der dieser Version laut Info seinen Segen gab; nach einem Drittel wird aus dem Stück ein speedy Dancefloortrack. Danach gibt plötzlich mit „Kosmische Liebhaber“ achtziger-inspirierten Industrial-Synthiepop und zum Schluss mit „Cracks“ einen trippigen Noise-Pop mit Duettgesang, der zuletzt ordentlich Fahrt aufnimmt.

Laut Info entstand das Album bereits zwischen 2021 und 2022 mit einem portablen Studio in Hotels quer durch Europa. Zu den einzelnen Tracks ließ das Duo von verschiedenen Regisseuren experimentelle Kurzfilme anfertigen, die 2024 als „On-Way Ticket To The Other Side“ bei einigen Filmfestivals liefen. Beide Protagonisten dieses Duos haben eine lange Liste an vorherigen Aktivitäten vorzuweisen: Séverine Cayron war Teil des Popprojektes Auryn und debütierte 2016 als Sängerin unter dem Alias Valko (oder auch Valkø), ansonsten ist sie als Schauspielerin in den Fachbereichen Comedy, Hörbuch und Synchron bekannt. Jérôme Vanderwattynes Film „The Belgian Wave“ schlug vor zwei Jahren auf Festivals einige Wellen; den Soundtrack dazu kreierte übrigens Labelbetreiber Yannick Franck. Zudem ist Jérôme Vdw Mitglied der Alternative-Rock-Band VHS From Space. Zudem gestaltete er 2021 für den Valkø-Song „Monsters“ das Video, der Kreis öffnet sich.

„Pornographie Exclusive“ ist ein bemerkenswerter Einstand auf hohem Niveau. Zwar schreit auf diesem Album alles latent nach Gruftmucke, doch bedient das Duo die Klischees nicht, sondern bricht sie auf und bereichert sie immens.