Liegengeblieben!

Von Chrisz Meier (12.02.2025)

Hallo. Ich bin Chrisz Meier und arbeite bei einem Bürgerradio in Südwest-Niedersachsen. Der Sender bekommt ständig Promo-CDs zugeschickt, die niemand verlangt hat und um die sich niemand kümmert. Diese CDs landen dann mitsamt ihrem Beipackzettel der Plattenfirma, auf der die jeweilige Band stets als die Neuerfinder der Musik gepriesen wird, in einer schmucklosen Ablage, beschriftet mit „Zum Mitnehmen“. Einige der bei dem Sender ehrenamtlich Tätigen, Betreiber ihrer eigenen Radioshows, bedienen sich daraus, vieles bleibt aber dennoch liegen. Diese Liegengebliebenen durchforste ich in unregelmäßigen Abständen, immer auf der Suche nach unentdeckten Perlen – nicht zuletzt deswegen, weil ich, selbst Teil einer Band, der keinerlei Beachtung entgegengebracht wird, es ungerecht finde, diese mit viel Herzblut und Zeit hergestellte Musik einfach zu ignorieren.

Also werde ich an dieser Stelle hin und wieder ein paar dieser Liegengebliebenen vorstellen.

Ich kann gar nicht genau sagen, was Ron Spielman und seine Band auf „Lifeboat“ falsch machen. Die Produktion ist druckvoll und transparent, die Band (klassisch: git, bs, dr) äußerst kompetent, Ron hat eine Stimme wie Sting zu seinen frühen Solozeiten, schon der erste Song des Albums groovt wie Ozelot – und trotzdem will der Funke bei mir nicht überspringen. Und das, obwohl „Lifeboat“ hier und da echte Hit- bzw. Ohrwurmqualitäten hat. Wie gesagt, ich weiß es nicht genau. Vielleicht ist mir die Scheibe zu glatt, zu gefällig, die Songs zu austauschbar… Habe ich schon gesagt, daß das Album auch sehr abwechslungsreich ist? Wer auf gut gemachten Pop-Rock mit deutlichen Blueswurzeln steht, macht mit dieser Platte nichts falsch. Wer etwas mehr Ecken, Kanten und Überraschungen braucht, schon.

Ron Spielman: Lifeboat (2024)
LP, CD, Digital
Galileo

Ganz sicher bin ich mir dagegen bei Magick Touch und ihrem 2023er-Album „Cakes & Coffins“. Dies hier ist definitiv nicht meine Tasse Bier. Melodic Metal, und dann auch noch so vorhersehbar wie dieser, gefällt mir einfach nicht. Dabei machen die drei Recken aus Norwegen aus ihrer Sicht überhaupt nichts falsch. Spielen können sie sehr gut, technisch ist die Band und ist die Platte auf Niveau 1a, die Songs haben Titel wie „The Judas Cross“, „Demons & Rust“ (der war gut!) oder „When Eating A Wolf“. Außerdem höre sogar ich raus, daß sie Iron Maiden nicht nur vom Hörensagen kennen, und was ein Twin-Lead ist, wissen sie auch. Selbstverständlich findet sich auch die obligatorische Ballade auf dem Album und eigentlich ist alles gut. Beziehungsweise alles gesagt, denn solche Mucke habe ich schon vor einer Million mal hören nicht gemocht. Sorry, Norwegen, aber schließlich habt ihr immer noch Motorpsycho.

Magick Touch: Cakes & Coffins (2023)
LP, CD, Digital
Edge Circle Prod.

In den sanften Hügeln Ost-Westfalens (Das habe ich noch nie verstanden. Wie kann ein Ort gleichzeitig Ost und West sein? Und wo liegt dann dieses Falen? In Nordsüdistan?) spielt die Handlung auf dem Album „Living In Paradise“ der Upland Band. Dies hier ist was Deutsches, der Kopf der Band war mal bei Tuesday Weld und beides hört man raus. Das heißt nicht, daß mir diese Scheibe oder ihr konzeptueller Charakter unsympathisch wären. Nein, das ist insgesamt recht flott, rumpelt mitunter fröhlich vor sich hin und behandelt Themen, die in einem kleinen Dorf in Ostwestfalen halt so anstehen: Metamphetaminproduktion, Nazis in der Nachbarschaft und Dampfloks. Man merkt, das hat einen gewissen Humor. Der nicht zu übersehende DIY-Faktor trägt zusätzlich dazu bei, die Upland Band sympathisch zu machen. Wer es also entspannt mag und schon mal erfolgreich in der Schublade „softly psychedelic guitar pop“ gestöbert hat, wird mit „Living In Paradise“ seinen Spaß haben. Außerdem fängt das Album mit Vogelgezwitscher an und hört mit Landregen auf. Dieser Move hat mich dann endgültig überzeugt.

The Upland Band: Living In Paradise (2023)
LP, CD, Digital
Kapitän Platte

Kann es sein, daß rein instrumentale Musik gerade ziemlich beliebt ist oder fallen mir nur zufällig laufend solche Alben in die Hände? Wie dieses hier von Verstärker, einfach nur „V“ betitelt. Laut Beipackzettel gibt es die Band schon seit 20 Jahren (mittlerweile 21) und ich habe bisher nie was von ihr mitgekriegt. Und das wird in Zukunft auch so bleiben, fürchte ich. Denn für meinen Geschmack passiert zu wenig in den fünf zwangsweise sehr langen Songs. Hauptbestandteil der Musik ist eine flirrende Gitarre, die minimale Melodien mit allen möglichen Mitteln strecken muß, um auf die lange Laufzeit zu kommen. Und so hört man Echos, Delays, Loops……………….zur Genüge. Der Bass und das Schlagzeug tragen das ihrige zum Gelingen bei, können aber nur hier und da ein paar Akzente setzen. Was man den drei Beteiligten zugute halten muß, ist, daß sie die fünf Songs tatsächlich live eingespielt haben. Leider rettet dies nicht vor einer gewissen Belanglosigkeit. Verstärker machen einen guten Soundtrack für lange Yogasessions, vielleicht können wir uns darauf einigen.

Verstärker: V (2024)
LP, Digital
Finaltune Records