Squid – Cowards – Warp Records 2025

Von Guido Dörheide (11.02.2025)

Squid gibt es auch ohne das dazugehörige Game, und mit „Cowards“ legen sie heuer schon ihre dritte Langspielplatte vor. Seit 2021 veröffentlichen sie mit gleichmäßiger Regelmäßigkeit alle zwei Jahre ein Album – so auch in diesem Jahr. Es ist bereits das dritte.

Geändert hat sich im Hause Squid genau genommen nichts, noch immer macht die Band um Schlagzeuger und Sänger Ollie Judge schrägen Indie-Rock mit viel Blasinstrumenten, bisweilen Mark-E.-Smith-mäßigem Sprechgesang und wenig Melodie, trotzdem ist es eingängig, und trotzdem macht die Band eine Weiterentwicklung durch. Das Debüt „Bright Green Field“ war stellenweise noch richtig krachig hart, so etwas war auf dem sophomoren „O Monolith“ dann einer mehr zurückgenommen Härte gewichen, und genau so macht man auf „Cowards“ weiter. Thematisch befasst sich das Album mit dem Bösen, beispielsweise in Gestalt von Kannibalismus oder Mord. Mit ersterem geht es gleich los auf dem Opener „Crispy Skin“: Basierend auf dem Buch „Cadáver exquisito“ von Agustina Bazterrica, in dem es vereinfachend zusammengefasst um die Stallhaltung von Menschen als Nahrungsmittel für andere Menschen, weil es wegen eines Virus’ keine Tiere mehr gibt, geht, beschäftigt sich Judge mit knuspriger Haut, einem gezielten Schlag zwischen die Augen, um an solche heranzukommen, und am Ende läuft das Blut schneller, als man denken kann. Dabei klingt der Song musikalisch sehr entspannt, er beginnt mit Schlagzeug, einem 80er-Jahre-Computerspiel (als doch „Game“!)-Synthiesound und ruhigem Ollie-Judge-Gemurmel. Zwischendurch gibt es immer wieder das typisch quietschende Squid-Blasorchester zu hören. Teilweise klingt Judge auch genervt oder panisch, kehrt aber immer wieder in einen Entspannungszustand zurück. Das Lied dauert fast sechseinhalb Minuten, langweilt oder nervt aber an keiner Stelle. Am Ende wird es dann mit Bläsereinsatz und schnellem Schlagzeug nochmal richtig vorantreibend.

„Building 650“ beginnt mit einer folkig gezupften Gitarrenmelodie, simpel und ohrwurmig, und ist wirklich sehr schöner Indie-Rock. Der Erzähler singt nölend von seinem Freund Frank, kein trver Amerikaner, aber Frank ist sein Freund und Frank ist ein wirklich netter Kerl. Außerdem ist Frank ein Serienmörder.

„Blood On The Boulders“ beginnt sehr leise mit einem langsamen Schlagzeugtakt und ab und zu mal einem Gitarrenakkord, dann murmelt Judge und dann sing die Gastsängerin Clarissa Connelly, irgendwann wird die Gitarre dann schneller, geradezu hektisch und bisweilen auch elektrisch, Jugdes Gesang geht teilweise in ein zurückgenommenes Keifen über und dann ertönt auch noch eine kreischende und kratzende Bratsche. Dabei verlieren Squid nicht so etwas wie eine rudimentäre Melodie aus den Augen, der Song steigert und steigert sich, um dann nach ungefähr vier Minuten wieder zu ruhigem und langsamen Geklimper und Gemurmel zurückzukehren. Der Text ist kryptisch, drogengetränkt und am Ende blutig.

Das anschließende, zweiteilige „Fieldworks“ beginnt sehr leise und unmelodiös, wird dann am Ende von Teil 1 kurz laut, bis Teil 2 dann mit einem Uhrenticken einsetzt. Hier klingt der Gesang mehr nach Song (überhaupt klingt der Song dann irgendwann doch melodiös und irgendwie schön verträumt), und nachdem ich den Text von Teil 1 nicht verstanden habe (der Erzähler ist wohl irgendwo reingefallen, wie er wiederholt zum Besten gibt), scheint es hier jetzt um irgendwelche Banditen zu gehen, die blutverschmierte Gesichter haben und deshalb nicht mehr ihr Spiegelbild im See betrachten wollen. Oder so ähnlich. Schwamm drüber.

Mit „Cro-Magnon Man“ folgt dann mein Lieblingssong auf dem Album: Ein schöner Bass, irgendwo aus den tiefsten 80er-Gothic-Welten entsprungen, wird begleitet von wieder einmal mehr einer ebenso 80er-Jahre-Videospielmelodie, der Gesang erinnert in seiner Zweistimmigkeit an – raten Sie mal! – 80er-Jahre-Pixies-Zeiten, „Monkey Gone To Heaven“ kommt mir hier in Erinnerung. Zwischendurch kracht eine nur halb zurückgenommene Gitarre dazwischen und das Videospiel dudelt einfach weiter. Erinnern Sie sich an die Beerdigungsszene aus Detlef Bucks „Karniggels“, wo im Vordergrund die traurige Beerdigungsgesellschaft beim Kaffee zusammensitzt und im Hintergrund dudelt der Spielautomat? So in etwa.

Das Titelstück beginnt sehr ruhig und Judge brabbelt irgendwas davon, dass es im Schloss immer regnet und draußen nicht und dass Plastiktüten die Straßen verschmutzen und nie weggehen werden. Hernach kommt eine dieser schönen Blasorchestereinlagen, die angesichts des sonstigen Squid-Sounds a) überraschen und b) das Ganze auf eine Art aufpeppen, dass es wirklich eine Freude ist. Die Blasmusikanten selbst empfinden sicher keine Freude und bringen das in ihrem Spiel zum Ausdruck. Der Song plätschert sich dann schön im langsamen Tempo ein und macht viel Freude, wenngleich er eher deprimierend klingt, aber schöön deprimierend.

„Showtime!“ ist dann regelrecht groovy und auch sehr hypnotisch, Judge singt mit Elan und viel Geheimnis in der Stimme von irgendwelchen Beobachtungen, am Ende fällt wohl einer vom 14. Stock auf die 12. Straße und der Ich-Erzähler hat’s gesehen.

Den längsten Song haben sich Squid für den Schluss aufgehoben, und er nimmt sich Zeit, in die Gänge zu kommen, und das ist auch gut so: Es rattert irgendwie wie Wäscheklammern in Fahrradspeichen, dazu Gitarrenakkorde und ein sehr schönes Flügelhorn. Auch hier wird der Gesang wieder unterstützt von Clarissa Connelly, was dem ganzen Unterfangen eine gewisse Versöhnlichkeit gibt. Ansonsten versöhnt sich nix: Melodie findet abseits des Flügelhorns nicht statt und der Text erscheint mir sehr bedrohlich, mit Salamandern, die wissen, wo ich wohne, weil sie über die Hügel linsen und „Who you are and what you do will not matter in the end.“ Na denn.

Nicht einfach, was uns Squid hier präsentieren, nicht leicht verdaulich, aber in hohem Maße hörenswert und vor allem sich nicht abnutzend. Squid-Alben kann man immer wieder hören, notfalls auch am Stück, ohne sich zu langweilen, und man entdeckt immer noch was Neues.