Von Matthias Bosenick (07.02.2025)
Wenn Rodeo bedeutet, dass man sich nicht auf dem Gaul halten kann, weil der selbst mit nackten Sporen nicht zu bändigen ist, dann ist „The Major Kong Rodeo“, das dritte Album des Noise-Free-Jazz-Duos The Nude Spur, die musikalische Übertreffung dessen: Jörg A. Schneider vollführt den wilden Ritt auf seinem Schlagzeug, Thomas Kranefeld lässt seiner Gitarre den ungezügelten freien Lauf. Wer sich auf diese Pferde-Bombe begibt, wird von fehlenden Rhythmen und melodiefreien Gitarrenläufen abgeschüttelt. Dieses Tier ist viel zu freiheitsliebend, als dass es sich überhaupt in ein festes Gatter zwängen ließe. Gezähmt wird hier allenfalls die Hörerschaft: Wer das Album durchhört, ist hinterher ganz schön aus der Puste. Nicht aufgeben: Stetson richten, Staub abklopfen und nochmal aufsitzen!
Natürlich geht es hier keineswegs darum, so etwas wie Rockmusik nachzuempfinden, nur weil hier Gitarre und Schlagzeug zusammenkommen, wie bei den Abstürzenden Brieftauben, The Raveonettes oder The White Stripes. Das hier ist improvisiert, das hier folgt keinm Schema: Das Schlagzeug ist nicht dafür da, einen Beat, einen Rhythmus, einen Takt einzuhalten. Schneider tobt sich regelrecht aus, als säße er auf dem brutal umherspringenden Pferd und versuche, es mit Schlägen und Tritten zumindest halbwegs rittbar zu halten. Die Art, wie er auf die Felle drischt, steckt voller Energie, man könnte bald Wut annehmen und hoffen, dass das wertvolle Instrument diesen Ritt übersteht. Kranefelds Gitarre steht dazu wie eine elektrisierte Aura, die sich um den Gewaltausbruch des Tieres legt. Er arbeitet ohne Verzerrung oder nennenswerte Effektgeräte an seiner E-Gitarre und malträtiert die Saiten komplett ohne den Anflug von Harmonien oder Melodien. Sein Spiel ist Effekt genug, er frickelt und schrammelt, es passt bestens in das energetische, gar organische Gesamtbild.
„The Major Kong Rodeo“ handelt natürlich nicht von einem Pferd, auch wenn es danach klingt, schließlich hat man zum Ritt auf einer aus einem Flugzeug fallenden Bombe bis auf bei „Dr. Strangelove or How I Learned To Stop Worrying And Love The Bomb“ keine gesteigerten Assoziationen. Darauf spielt der Titel nämlich an, Major T.J. „King“ Kong aus Stanley Kubricks Film und den finalen Absprung, den Ritt auf der Bombe. Die Platte klingt einfach mehr nach Pferd, das liegt einem einfach näher. Hoffentlich. Und das Album ist eine Art Familienarbeit: Mit Kranefeld nahm Schneider neben den zwei früheren Alben als The Nude Spur eine seiner Collaborations auf und das Cover gestaltete Sebastian Fäth, mit dem Schneider das Projekt Teen Prime betreibt, während Fäth und Kranefeld miteinander wiederum als Kalmäuser improvisieren. Bombig!