Wallace & Gromit: Vergeltung mit Flügeln (Vengeance Most Fowl) – Nick Park/Merlin Crossingham – Aardman 2024/Netflix 2025

Von Matthias Bosenick (20.01.2025)

Seit 2008 gab es keinen neuen Film von und mit und über „Wallace & Gromit“, den quasselfreudigen Erfinder und seinen schweigsamen Hund, die beiden englischen Knetgummifiguren, die 1989 erstmals im britischen Fernsehen und Mitte der Neunziger auch in Deutschland im Kino auftraten. Jetzt reaktiviert Erfinder Nick Park nicht nur die Titelhelden, sondern auch den kriminellen Gegner ihres zweiten Films „The Wrong Trousers“ aus dem Jahr 1993, nämlich den als Hahn verkleideten Pinguin Feathers McGraw, der die titelgebende Rache vollzieht. Sind ein paar nette Gags drin, ist aber nicht der langen Rede wert, muss man ernüchtert konstatieren. Wichtigster Hinweis: um Gottes Willen nicht auf Deutsch gucken! Die Synchronisation ist erbärmlich fürchterlich.

Die Story lässt sich relativ schmerzfrei weggucken, wenn man dies im Original unternimmt. Wallce, empathielos und ignorant, glaubt, mit seinen Erfindungen nur Gutes zu tun, etwa, indem er für Gromit eine Tätschelmaschine und Gartenhelferroboter baut, ungeachtet dessen, dass Gromit lieber vom Erfinder persönlich getätschelt werden würde und die eigenhändige Gartenarbeit liebt. Dieser Gartenroboter, Norbot genannt, entwickelt sich zur Geldquelle, indem Wallace ihn mediengestützt erfolgreich in der Nachbarschaft ausborgt. Bis Feathers McGraw in seinem Knast im Zoo davon per Fernsehen erfährt und sich seinerseits erfinderisch in Wallace‘ Programme hackt, um weitere Norbots zu produzieren und diese auf Böse zu programmieren – um den Diamanten aus der ersten Episode mit ihm endlich zu klauen und auszubrechen. Weitere Rollen spielen Cops, Nachbarn, das Museum, Kanäle und Rüben.

Irgendwie mag die ganze Geschichte nicht so recht zünden. Für manche Sequenzen lässt sie sich zu viel Zeit, für andere zu wenig, der Fluss stimmt nicht. Es gibt zu viele Wiederholungen ähnlicher Szenarios, die Handlung kommt nicht hinreichend voran, dafür kommen ästhetisch ansprechende Bilder zu kurz. Aber das allein ist es nicht. Die Norbots nehmen einen zu großen Raum ein, ohne dass sie ihrer bösen Intention stringent nachgehen und das Verbrechen vorantreiben. Die offenkundig als lustig dargebotenen Kuriositäten fallen zumeist eher albern aus, zudem haben die Norbots von sich aus nicht ausreichend Potential für vielseitige Gags. Das Potential der Titelfiguren geht auch weitgehend verloren, da sie weniger Raum einnehmen. Zuletzt ist auch der Pinguin ein verschenkter Antagonist, da er im Stillen von seiner Zelle aus agiert und erst zum Schluss in die direkte Konfrontation geht.

Gegen Ende kommt es dann endlich zu dem, was man als Fan erwartet: Action. Die dann aber gleich so übertrieben, dass sie langweilt. Mit Kanalbarkassen, die maximal 3 mph fahren können, und einer Hängepartie vor malerischer Kulisse. McGraw entkommt erfolglos, aber offen für eine weitere Fortsetzung. Die dann hoffentlich besser ausfällt. Man spürt deutlich, dass dieser Film ursprünglich als halbstündige Episode konzipiert war – so wäre sie bestimmt auch besser ausgefallen. Ja, es gibt gute eingebaute Gags, aber echt nur wenige.

Hier fehlen auch die menschlichen Zwischentöne, die es bei früheren Episoden von „Wallace & Gromit“ gab; man denke an Piella Bakewell in „A Matter Of Loaf And Death“ oder Wendolene Ramsbottom in „A Close Shave“. An die Stelle der sicht- oder nachfühlbaren Emotionen setzt Nick Park hier manipulative Musik, und zwar schlimmste Kleistermucke nach Art von Hans Zimmer. Dieser generelle Qualitätsabfall ist bedauerlich, traf aber bereits die Fortsetzung von „Chicken Run“, „Operation Nugget“, die ebenfalls lediglich bei Netflix läuft, anstatt wie früher im Kino. Dabei zeigt das Studio Aardman doch, dass es noch Qualität kann: Die sechste Staffel von „Shaun, The Sheep“, die ebenfalls auf Netflix läuft, überdies ein Seitenarm von „Wallace & Gromit“, ist an Einfallsreichtum und Humor kaum zu überbieten. Nicht mal von sich selbst also. Auch die Kinofilme um das Schaf waren großartig.

Bleibt der wichtige Hinweis auf den verkackten Synchron. Ja, auch im Original wechselte die Stimme, da Wallace‘ Sprecher Peter Sallis 2017 verstarb. Für ihn übernahm Ben Whitehead, und hört man ihn sich an, trifft er den zurückhaltend-distinguierten Tonfall mit Dialekt vortrefflich. Anders als der stets überambitionierte deutsche Sprecher Peter Kirchberger, dessen schauspielerische Qualität über die Jahrzehnte auch Hörspielfreunden zusehends unangenehmer auffällt. Er übertreibt den Wallace aufs Hysterische, und so verfahren auch die anderen Sprechenden. Als wäre es deutsche Überzeugung, dass hysterisch lustig ist, wenn man ein auf Kinder ausgerichtetes Programm gestaltet, das wie dieses hier zudem auch noch nicht mal explizit an Kinder gerichtet ist. Vergleichbar hysterisch-anstrengend ist die deutsche Version des Titelsongs von „Shaun, das Schaf“. À propos: Jeder weiß, dass in jener Serie kein einziges verständliches Wort fällt. Wenn also der Farmer in „Vengeance Most Fowl“ ein Cameo hat, warum legt man ihm – anders als im Original – auf Deutsch verständliche Worte in den Mund? Todsünde!