Von Matthias Bosenick (24.10.2024)
Jazz als Schublade reicht Kuhn Fu bei weitem nicht aus. Fusion, Soundtrack, Avantgarde, Swing, Folk – in „Katastrofik Kink Machine“ steckt viel mehr, insbesondere die Freude daran, die Energie der dieses Mal sieben Musizierenden rund um Quasi-Namensgeber Christian Achim Kühn künstlerisch auszudrücken. Netterweise kombiniert die Berliner Band hier das Entfesselte mit dem Eingängigen, die Bläser bratzen über Mitwippsongs. Wobei es sich um Sogs nicht handelt, hier singt nämlich niemand. Was der Furiosität dieses spannungsreichen Albums außerdem zugutekommt, ist der Umstand, dass Kuhn Fu es anteilig live im Studio einspielten. Ein Miteinander, das ansteckt.
In zwölf Minuten gibt der live performte Opener „Waffle House“ so einige Richtungen vor: Zunächst hat der Track den Anschein von Jazz Rock, kombiniert mit Big Band, 70er-Hollywood-Thriller-Soundtrack und Free Jazz. Das alles erinnert leicht an „Gash“ von Foetus, verknüpft mit Lalo Schifrins Scores und freiem Getröte, das niemals nervt. Man swingt ordentlich mit, hier wippt nicht nur der Fuß, und gleichzeitig bekommt man haufenweise Bläser um die Ohren gewirbelt, dass einem schwindelig wird. So manche Struktur auf diesem Album hat etwas Eingängiges, beinahe Poppiges, das die Hörenden in falscher Sicherheit wiegt, denn während man sich noch zurücklehnt und genießt, wirbelt der Sturm um einen herum.
Nicht nur ist der Rockmusik-Anteil auf diesem Album fett gespielt, kaum weniger fett setzt das Septett die Blasinstrumente ein. Und dann noch so viele verschiedene: Diverse Saxophone (Alt, Tenor, Bariron), Klarinetten und Flöten nämlich, die das Gerüst aus Gitarre-Bass-Schlagzeug aufmischen. Keyboards gibt es keine, sämtliche Musik hier ist also auf analogem Wege entstanden. Man kann der Band hier überdies auch noch jede Menge Humor attestieren, denn obschon die Beteiligten diese Musik ernst nehmen und auch ernsthaft umsetzen, gestatten sie es sich doch, ihre anspruchsvolle Musik auch mit Augenzwinkern zu versehen. Insbesondere der Rauswerfer „Simple & Charming“ überkreuzt vermeintliche Gute-Laune-Musik mit frei gespielten Effekten.
Eine weitere Richtung, die der Titel „Waffle House“ vorgibt, ist konzeptuell zu betrachten, erklärt die Band in der Info: In den USA gibt es einen Waffle House Index, der festlegt, wie die Versorgung mit Waffeln eines gleichnamigen Gastrohauses in Katastrophensituationen aussieht, nämlich: Grün für reguläre Versorgung, Gelb für eingeschränkte und Rot für gar keine. Die Band behauptet nun, auf „Katastrofik Kink Machine“ ausschließlich zwischen Grün und Rot zu pendeln, aber als Hörender ist man zum Widerspruch geneigt; so richtig gar keine Musik findet hier ja nun nicht statt, auch wenn es mal ruhiger wird, vielmehr würde man diese zurückgenommeneren Passagen als Gelb betrachten. Aber das ist Hintergrundnerdquatsch, der an der herausragenden Qualität des Albums nichts ändert.
Bandkopf und Gitarrist Kühn sammelt dieses Mal um sich: Frank Gratkowski, der einen Stapel an Blasinstrumenten mitbringt, flankiert von John Dikeman, Sofia Salvo und Ziv Taubenfeld, die ebenfalls Tröten im Gepäck haben, zudem den Bassisten Esat Ekincioğlu und den Schlagzeuger George Hadow. „Katastrofik Kink Machine“ dürfte das sechste Album der Band in zehn Jahren sein.