Nilüfer Yanya – My Method Actor – Ninja Tune 2024

Von Guido Dörheide (03.10.2024)

Seit 2016 tummelt sich Nilüfer Yanya aus London, UK, auf dem Schallplattenmarkt, zunächst mit einer Handvoll Singles und EPs und dann 2019 mit dem bescheiden und zurückhaltend betitelten Debütalbum „Miss Universe“. Für mich eine der Albumsensationen eines an Albumsensationen nicht eben armen Jahres, somit finde ich persönlich, der Titel geht voll in Ordnung. Ebenso wie „Painless“ aus 2022, ein ebenso tolles Album wie das Debüt. Und nun also „My Method Actor“, auf dessen Cover Frau Yanya spärlich bekleidet vor einem Spiegel sitzt, als hätte sie vor, mittels guten Aussehens von der dargebotenen Musik abzulenken. Aber wurscht, das hat sie nicht nötig und das Cover-Artwork wirkt auch nicht irgendwie effekheischerisch, eher fragt man sich, warum sie da auf dem Sims vor dem Spiegel einer hässlich/muss-man-mögen-aus-den-80ern grünbeige-rosa gestalteten WC-Räumlichkeit sitzt. Yanyas Gesichtsausdruck hingegen bildet die Stimmung des Albums perfekt ab: Leicht fragend, melancholisch, wie die Musik auf „My Method Actor“, das musikalisch mit ein wenig weniger Schmackes daherkommt als die beiden Vorgängerinnenalben.

Und das ist eher eine Stärke als ein Manko: Mit ihrer speziellen Art des Gitarrespiels, mal rein akustisch, mal dreckig (aber nie wirklich hart oder schmerzhaft, dafür oft an die frühen Cure aus dem Zeitalter des Coverartworkbadezimmers erinnernd) verzerrt, immer irgendwie schrammelig und ihrem speziellen Gesangsstil, leicht gelangweilt mit dennoch viel Gefühl und ständig in der Tonhöhe zwischen dem, was ich mir als normalen Sprechtonfall (nicht zu verwechseln mit Brechdurchfall) vorstelle, und viel höheren Höhen changierend, hat Nilüfer Yanya einen Trademark-Sound erschaffen, der mich auf „Miss Universe“ bereits völlig vereinnahmt hat und der mir beim ersten Hören des aktuellen Albums gleich ein erleichtertes Grinsen ins Gesicht reingemacht hat: Prima, sie klingt wie immer, aber dennoch ist etwas anders, und das ist toll.

Nun zu den Songs:

„Keep On Dancing“ kommt zunächst mit einer Akustikgitarre und flatterndem Schlagzeug daher, dann setzen Synthie-Streicher ein, das Schlagzeug wird marschmusikmäßiger, bleibt aber weit im Hintergrund und die Synths gewinnen die Oberhand über die Gitarre. Nilüfer Yanya lässt sich davon nicht beirren und liefert eine ihrer typisch lässig klingenden Gesangsperformances ab, die von Mal zu Mal Hören immer mehr gewinnen. Ebenso bei „Like I Say (I Runaway)“: Die Gitarre beginnt mit tieftönender Rhythmusarbeit und lässt Yanya Raum, die Melodie zu entwickeln, auf einmal schnellt der Gesangston in die Höhe, die Gitarre schrammelt, Yanya singt weiter und alles wird wieder ruhiger, um dann gegen Ende nochmal zu explodieren, ohne weh zu tun.

Das folgende Titelstück „Method Actor“ beginnt mit einer Gitarrenrückkopplung und entpuppt sich hernach als wunderbarer Singer/Songwriter-Pop, bis nach einer Minute eine verzerrte Gitarre die Idylle unterbricht und ich nun fest davon ausgehe, dass die Sängerin jetzt zu schreien anfängt oder wenigstens die Stimme erhebt. Yanya hingegen macht einfach entspannt weiter wie zuvor und wird trotzdem von den Instrumenten nicht an die Wand gedrückt. Auf „Binding“ wird sich dann ausgeruht oder entspannt zurückgelehnt, hören Sie hier einfach nur konzentriert dem Gesang zu, es lohnt sich. „Mutation“ besticht mit einem für Abwechslung sorgenden Schlagzeug, der Rest bleibt auf gewohnt hohem Niveau, bei „Ready For Sun (Touch)“ kommen am Anfang noch interessante elektronische Effekte hinzu und der ganze Song ist wunderbar ruhig, mit einer hypnotischen Melodie versehen und wunderschön. „Call It Love“ ist ebenfalls ruhig, wobei das Schlagzeug schöne Effekte setzt und die Gitarre in den Hintergrund tritt, um den synthetischen Streichern den Vortritt zu lassen. „Made Out Of Memory“ mit seinem anfänglichen Schlagzeuggeklapper besticht dann zusätzlich noch mit einer schönen Orgel, und bei „Just A Western“ gewinnt endlich wieder die Gitarre die Oberhand (wenn auch eigentlich nur gerade mal so gegenüber den auch hier recht dominanten, aber wunderschönen synthetischen Streichern). Und die wollen wir bei Nilüfer Yanya ja schließlich hören. Der Gesang ist hier sehr zurückgenommen, aber nicht weniger schön als auf den zuvör gehörten Stücken. „Wingspan“ beschließt das Album mit viel Keyboard und wieder einmal mehr tollem Gesang.

Ich hätte mir das Album nach dem ersten Hören weniger ruhig und mehr gitarrenlastig gewünscht. Nach häufigerem Abspielen hingegen merke ich, dass „My Method Actor“ sich immer besser anhört, je öfter ich es höre. Nilüfer Yanyas Stimme und ihr Gesangsstil sind unverwechselbar und faszinierend, die Musik bewegt sich zwischen Alternative (die mehr gitarrenlastigen Stücke, die mich zunächst mehr ansprachen) und gefühlvollem Pop (der ganze Rest, den ich mit jedem Durchlauf besser und besser finde), und niemand außer ihr hört sich an wie sie.