Vibravoid – We Cannot Awake – Tonzonen Records 2024

Von Matthias Bosenick (28.08.2024)

„We Cannot Awake“ ist eine bunte, ähm, Tüte geworden: Auf ihrem 90488. Album vermengen Vibravoid aus Düsseldorf psychedelische Genres wie Psych-Pop, Post Punk, Stoner, Fuzz, Space, Noise, Kraut und allerlei weitere bewusstseinserweiternde rockbasierte Ausrichtungen zu einem bunt schillernden Werk. Der schlüssige Schluss straft den Titel Lügen, man wird abrupt aus der Kontemplation gerissen. Gerissen!

Den Start ins akustische Kiffen absolvieren Vibravoid mit unerwartet hohem Tempo: „Get To You“ legt wirklich einen Zahn zu, um sei Ziel zu erreichen. Der Sound der Gitarren lässt das Stoner-Etikett zu, die psychedelischen Effekte richten den Gruß an „Silver Machine“ von Hawkwind, man fühlt sich positiv erreicht und aufgenommen, das ist wie ein Willkommensgruß, sag hallo zum Album, und man entrichtet diesen unformellen Gruß sehr gern. Um in „Nothing Is Wrong“ mit psychedelischer Popmusik aus den Sechzigern belohnt zu werden, melodiös, mit Shaker strukturiert und sonnig-warm.

„The End Of The Game“ beginnt wie ein Wave-Rock-Stück aus den späten Achtzigern und entwickelt sich sofort mit seiner Bratzgitarre in Richtung Britpop, nur dreckiger. „A Comment Of The Current Times“ greift diesen Eindruck auf und vertieft ihn, die Gitarre wird zur kalten Säge, die einen Janglepop begleitet, aus dem man die Stone Roses heraushören kann. Zum warmen Post Punk neigt sich „On Empty Streets“, das an poppige Echo & The Bunnymen erinnert, versetzt mit Fuzz und Space-Effekten.

Das war Seite A, die B-Seite füllt das Titellied aus, 20 Minuten lang und ungefähr so abwechslungsreich wie die erste Hälfte. Es beginnt mit Hall und Fuzz und Space im Nebel, bei dem es sich vermutlich eher um Rauchschwaden handelt. Dann bekommt das Schlagzeug den stoischen repetitiven Beat, wie man ihn aus Düsseldorf bereits kennt, vom Krautrock nämlich, und dann wird das Stück plötzlich zu einem mit Ambient unterlegten Hörbuch. Hat man sich daran gewöhnt, schwenkt es zurück zum Fuzz-Pop, der sich auf eine Art und Weise ausläuft, dass man den Eindruck bekommt, die Drogen seien nicht mehr so ganz am wirken, und sobald man glaubt, der Trip verlöre an Qualität, schaltet die Band den Fuzz ein, bratzt herum, lärmt, was das Zeug hält, und hört mitten im Satz auf. Geil.

Seit Ende der Neunziger existieren Vibravoid, seinerzeit noch stärker von den alten Pink Floyd beeinflusst. Kopf der Band ist Sänger und Gitarrist „Dr.“ Christian Koch, am Schlagzeug sitzt Frank Matenaar, Synthies und Bass spielt Dario Treese, Ex-Mitglieder gibt’s auch schon einige. Und Veröffentlichungen: Studio- und Live-Alben über 20 – und zwar jeweils, dazu einen Stapel Singles und EPs. Und da sagt man, Drogen machen unproduktiv und gleichgültig. „We Cannot Awake“ ist ein Gegenbeweis, die vertonte Werbung für THC, LSD, Pilze und Frösche – und funktioniert gottlob auch mit naturversteinertem Bewusstsein.